Barockgarten Großsedlitz

Eintrag veröffentlicht am 10.03.2022

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Barockgarten Großsedlitz
Parkstraße 85
01809 Heidenau

Erbaut: 1719–1732
Geschütztes Baudenkmal: ja

Status: drohende Gefährdung

Der Barockgarten Großsedlitz, auch das Sächsische Versailles genannt, befindet sich auf einer Anhöhe des linken Elbufers in der Nähe von Dresden in Großsedlitz. Der etwa 18 Hektar große Garten gilt als einer der authentischsten Barockgärten Deutschlands und als beeindruckendes Beispiel für französische Gartenbaukunst in Sachsen. Doch nun wird dieses Gesamtkunstwerk bedroht – der sogenannte „Technologiepark Feistenberg“ mit Industriegebäuden soll in naher Entfernung des Parks erbaut werden.

Unterstützung: Mitglieder des Fördervereins Freundeskreis Barockgarten Großsedlitz e.V. und Dr. G. Voigt

Barockgarten Großsedlitz, Obere Orangerie. Foto: Inken Formann

Erbaut wurde die Anlage als Landsitz mit Orangerie in einem ersten Entwurf von 1719 bis 1723 unter Reichsgraf August Christoph von Wackerbarth. Im Jahr 1723 erwarb Kurfürst August der Starke das Anwesen und nutzte es bis zu seinem Tod als Austragungsort für das Fest des polnischen Ordens des Weißen Adlers. Nach dem Ankauf des Gartens wurden die Arbeiten vorerst gestoppt. Der nun von August dem Starken mit den Planungen betraute Wackerbarth beauftrage 1727 die Architekten des Hofbauamtes Pöppelmann, Longuelune und Knöffel. Die neue Planung integrierte Teile der bereits fertiggestellten barocken Gartenanlage, die wiederum ebenfalls nach barocken Kompositionsprinzipien umgeplant und erweitert, jedoch bis 1732 nicht vollendet wurde. Im Jahr 1733 starb August der Starke und Wackerbarth war auch nach dem Verkauf seines Besitzes für den Garten, jedoch nun in Vertretung des Bauherrn, tätig.

Barockgarten Großsedlitz, Gartenpartie mit Freitreppe („Stille Musik“). Foto: Inken Formann

Das Gesamtensemble besteht heute aus dem Friedrichschlösschen, der Oberen und Unteren Orangerie und Wasserspielen mit barocker Investitionsruine, Eisbassin und Naturtheater. Der Garten zeichnet sich durch seine Hanglage mit Terrassierung, Freitreppen und Kaskade sowie durch mehreren Sichtachsen für Landschaftsausblicke aus. Er erstreckt sich als sanfte Talmulde in Höhenlage und besticht durch seine drei Hauptachsen. Der Garten ist ausgestattet mit umfangreicher barocker Gartenskulptur, die Themen aus der römischen und griechischen Mythologie aufgreifen.

Ein schmaler Streifen des Gartens, dem sogenannten Jagdpark, steht seit Januar 2011 als Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) unter Naturschutz und wurde von Anbeginn in die Ortschaft eingebunden, welche nach Westen, Norden und Nord-Osten von Hängen mit einem alten Baumbestand begrenzt wird. Die Hauptsymmetrieachse der Anlage führt vom Friedrichschlösschen direkt in den Ort hinein und ist bis zur Ortsmitte noch heute als bepflanzte Baumallee gut erkennbar. Groß- und Kleinsedlitz selbst und die dazugehörende Umgebung liegen im Landschaftsschutzgebiet, mit dem Zweck, das historische Ambiente im Zusammenhang mit dem Barockgarten für immer zu bewahren.

Barockgarten Großsedlitz, Untere Orangerie. Foto: Inken Formann

Der Ensemblecharakter des Barockgartens Großsedlitz ist nun bedroht durch die Entwicklung des „Technologieparks Feistenberg“ des Zweckverbands Industriepark Oberelbe (IPO) mit Ansiedlungsobjekten bzw. Industriegebäuden auf zunächst ca. 100 Hektar Ackerland in einer Entfernung von 400 m bis 1500 m von der Parkanlage und durch geplante Erweiterungsflächen auf insgesamt 240 Hektar. Der mehrfach geänderte, genehmigungsfähige Bebauungsplan für den Technologiepark soll im Frühjahr 2022 ausgelegt und von den zuständigen Behörden beschlossen werden.

Es ist noch nicht absehbar, was genau die daraus resultierenden Folgen für die Anlage sein könnten. Mögliche Schäden wären die Lärmbelästigung durch wesentliche Erhöhung des Verkehrs, die nächtliche Lichtverschmutzung und dadurch stark verändernde Eingriffe für Parkanlage, Baumbestand und Tourismus. Unter anderem würde dies eine Störung oder sogar Zerstörung des Wasserhaushaltes des Barockgartens mit seiner Springbrunnen-Versorgung bedeuten. Zudem bestünde ein wesentlicher Eingriff in die ca. 300 Jahre alten barocken Sichtachsen, die unter anderem in das Weinanbaugebiet bei Pillnitz, in das Elbsandsteingebirge und bis nach Tschechien reichen. Der Kulturlandschaftsraum zwischen dem Schloss Zuschendorf, dem Barockgarten Großsedlitz, Schloss Weesenstein, Dohna und dem Schloss Sonnenstein würde entwertet. Auch eine Beeinträchtigung der Wechselwirkung zwischen Landschaftsschutzgebiet, vier FFH-Gebieten und Barockgarten sind möglich bis hin zu Artensterben.

Der Barockgarten Großsedlitz gehört neben dem Schloss Pillnitz und dem Jagdschloss Moritzburg zu den bedeutendsten Anlagen in Sachsen und sollte daher in seiner Gesamtheit bewahrt bleiben. Nicht zuletzt dürfte vielleicht folgender Sachverhalt die Verantwortlichen zum Nachdenken bringen: Das Gesamtensemble in Großsedlitz wäre ein ernsthafter Aspirant auf den Welterbe-Status, es dürfte aber im Falle der Verwirklichung der großangelegten Industriepläne unwahrscheinlich sein, dass der Barockgarten Großsedlitz wegen seiner Einmaligkeit jemals in diesen Antrag einbezogen wird. Denn jeder Antrag bei der UNESCO wird insbesondere hinsichtlich der Gesamtheit seines Denkmalensembles bewertet.

Text: Olaf Klepzig, Helga Roßberg
Redaktion: Ann-Kathrin Hartenbach, Inken Formann

Oben: Barockgarten Großsedlitz, Friedrichschlösschen. Foto: Inken Formann

Literatur:
Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen: Der Königliche Lustgarten zu Großsedlitz. Die Skulpturen, Heidenau 2004.
Hartmann, Hans-Günther: Barockgarten Großsedlitz, Leipzig 2002.
Hartmann, Hans-Günther: Großsedlitz. Ein Königstraum als Denkmal barocker Gartenkunst, Weimar 1999.

Quellen:
Roberto Rink: Wie weiter beim IPO? Wochenkurier vom 02.08.2021 (abgerufen am 23.02.2022)
Roberto Rink: IPO wird kleiner, Wochenkurier vom 27.11.2020 (abgerufen am 23.02.2022)
Torsten Hilscher: Überraschung in Pirna: Industriepark Oberelbe wird umgeplant, Tag24 vom 08.10.2020 (abgerufen am 23.02.2022)
Besiegelt Dohna das Ende des IPO? Wochenkurier vom 13.03.2020 (abgerufen am 23.02.2022)
Zweckverband IndustriePark Oberelbe (abgerufen am 23.02.2022)