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Offener Brief: Erhalt des Theaterfoyers der Städtischen Bühnen Frankfurt

16.11.2020

In einem offenen Brief fordern führende Organisationen der Denkmalpflege in Deutschland von der Stadt Frankfurt den Erhalt der denkmalgeschützten Teile der Theaterdoppelanlage.
Das Bauwerk sei ein herausragendes Zeugnis der Stadtgeschichte und insbesondere sein 1959–63 errichtetes Foyer stehe wie kein zweites öffentliches Gebäude der Kommune für den kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Aufbruch der Nachkriegszeit. Der Brief appelliert an die Stadt, den bestehenden Denkmalschutz des Theaterfoyers anzuerkennen und bei den anstehenden Sanierungs- und Umbaumaßnahmen die geschützte Bausubstanz zu bewahren. Die durchgeführten Untersuchungen ließen nicht erkennen, dass es andere überwiegende öffentliche Belange gibt, sei es der Kosten oder der Nutzbarkeit, die einem Erhalt entgegenstehen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass in Frankfurt nicht möglich sein soll, was an vielen Orten im In- und Ausland in den letzten Jahren und Jahrzehnten praktiziert worden ist: die Sanierung und Erneuerung von Theaterkomplexen – auch mit Teilneubauten – unter Beibehaltung der denkmalgeschützten Gebäudeteile. Denkmalschutz sei keineswegs gleichbedeutend mit Stillstand oder Rückwärtsgewandtheit, sondern ließe sich mit konzeptueller Innovation und Transformation der Gesamtanlage verbinden. Sicherlich benötige Frankfurt heute einen anderen Spielbetrieb als vor 60 Jahren, aber leider fehle in der Frankfurter Debatte bisher das Verständnis und die Fantasie für die Möglichkeiten, die ein Weiterbauen mit dem Bestand ermöglicht.

Der Verband Deutscher Kunsthistoriker hat das Bauwerk in die Rote Liste gefährdeter Denkmale in Deutschland aufgenommen.

EINTRAG ROTE LISTE

Obwohl es in Teilen als Baudenkmal anerkannt ist, plant die Stadt Frankfurt zurzeit den Abbruch des Gebäudes.

Eintrag „Städtische Bühnen Frankfurt“ in der Roten Liste
PRESSERESONANZ

Reaktionen auf den Offenen Brief und den Eintrag in die Rote Liste

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Offener Brief

An den Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, Peter Feldmann, die Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig, den Planungsdezernenten Mike Josef und den Baudezernenten Jan Schneider

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedauern die Entscheidung der Stadt Frankfurt am Main sehr, ihre architektonisch und geschichtlich bedeutende, in Teilen als Baudenkmal anerkannte Theaterdoppelanlage aus wirtschaftlichen Erwägungen abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Damit droht der Verlust eines herausragenden Zeugnisses der Theater- wie auch der Stadtgeschichte, das seit über 100 Jahren als zentrales Foyer der Frankfurter Bürgerschaft dient und durch den Umbau von 1959–63 wie kein zweites öffentliches Gebäude der Kommune für den kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Aufbruch der Nachkriegszeit steht.

Beunruhigend ist aber nicht allein der geplante Abbruch des Gebäudes, sondern auch die Art und Weise, wie dieses Vorhaben in der Öffentlichkeit kommuniziert und begründet wird. Dies gilt insbesondere für die Reaktionen kommunaler Vertreterinnen und Vertreter auf das im Mai dieses Jahres vom Landesdenkmalamt veröffentlichte Gutachten, das insbesondere das Foyer des Gebäudes als denkmalwürdig anerkennt. In mehreren Stellungnahmen in der Presse sowie im Rahmen einer Pressekonferenz am 10. Juni hat sich die Kulturdezernentin der Stadt, Frau Dr. Ina Hartwig, in einer Weise zu diesem Gutachten geäußert, die wichtigen Grundsätzen des Denkmalschutzes widerspricht und die wir als Vertreterinnen und Vertreter des Fachs daher nicht unkommentiert stehen lassen können – zumal diese Aussagen und Argumente seither die Debatte über die Zukunft des Gebäudes bestimmen. Auch weil die Kulturdezernentin betont hat, dass für sie „der Denkmalschutz die Referenz sei“, erlauben wir uns, drei Aspekte klarzustellen:

1. Das Theaterfoyer ist als Baudenkmal geschützt!

Auf der Pressekonferenz hob die Kulturdezernentin hervor, dass das gesamte Gebäude nicht unter Denkmalschutz stehe. Diese Aussage war in der Sache richtig, im Kontext aber irreführend. Richtig ist, dass nicht das gesamte Gebäude unter Schutz steht. Irreführend war die Aussage aber, weil anschließend die „Denkmalwürdigkeit“ des Foyers zwar erwähnt wurde, aber angesichts der einzig auf die Neubauvarianten fokussierten Diskussion nur als unverbindliche Empfehlung des Landesdenkmalamts erscheinen musste. Hierzu ist festzustellen: Das Foyer der Theaterdoppelanlage ist als Baudenkmal geschützt, da mit der gutachterlichen Feststellung des Denkmalwerts die rechtliche Unterschutzstellung einhergeht. Eine Eintragung in das Denkmalverzeichnis ist gemäß §11 des hessischen Denkmalschutzgesetzes nicht notwendig. Angesichts der in der öffentlichen Debatte vorherrschenden Verwirrung hinsichtlich der Verbindlichkeit des Denkmalgutachtens und des denkmalrechtlichen Status des Foyers wäre eine Eintragung in das Verzeichnis allerdings wünschenswert, um in diesem Punkt Klarheit zu schaffen.

2. Denkmalschutz bedeutet Substanzschutz!

Die Kulturdezernentin betonte außerdem, dass sie die im Gutachten dargelegte Begründung des Denkmalwertes des Foyers nachvollziehen kann. Sie plädiert daher für eine Übertragung des „ideellen Denkmalwertes“ und des mit der Architektur des Foyers verbundenen „Gedankens der Transparenz“ in einen Neubau. Dieser Argumentation auf Basis der begrifflichen Neuschöpfung des „ideellen Denkmalwertes“ liegt eine falsche Vorstellung von den Aufgaben des Denkmalschutzes zugrunde: Dessen vorrangige Ziele sind immer Erhalt und Pflege der Bausubstanz, denn mit der Substanz sind die Qualitäten und Werte des Denkmals, etwa als
geschichtliches Zeugnis, untrennbar verbunden.

3. Das Foyer ist Bestandteil eines historisch vielschichtigen Gebäudekomplexes!

So wenig das Foyer auf ein beliebig aktualisierbares oder übertragbares Bild des Gedankens der Transparenz zu reduzieren ist, so wenig ist es als isoliertes Bauwerk zu betrachten und zu bewerten. Es wurde als Bestandteil eines in mehreren Etappen seit dem späten 19. Jahrhundert entstandenen Baukomplexes konzipiert. Dass dieses Gebäude als Ganzes einem „Puzzle“ gleichen mag, wie in der Pressekonferenz hervorgehoben wurde, ändert nichts an seiner Bedeutung als historisch vielschichtiges Zeugnis der Stadtgeschichte, im Gegenteil. Ebenso wenig mindern die kleineren Umbauten des Foyers, das nicht mehr exakt im „Zustand von 1963“ erhalten ist, dessen Denkmalwürdigkeit – schließlich verringert es ja auch nicht den Denkmalwert des Römers, dass er einem „Puzzle“ gleicht und nicht mehr im Zustand von 1408 erhalten ist. Darüber hinaus ist es nicht nachvollziehbar, weshalb die in der Theaterdoppelanlage umfangreich erhaltenen Teile des 1899-1902 nach Plänen von Heinrich Seeling errichteten, anspruchsvoll gestalteten Schauspielhauses bei der Debatte über den Denkmalschutz bisher ebenso wenig berücksichtigt wurden wie die ab 1949 errichtete Drehbühne der Oper, damals die größte ihrer Art in Europa. Auch diese Bauteile hat das Gutachten hinsichtlich ihres Denkmalwerts gewürdigt.

Wir fordern daher die Stadt Frankfurt auf, sich öffentlich zur Unterschutzstellung des Theaterfoyers und zum Erhalt der geschützten Bausubstanz dieses Kulturdenkmals als Grundlage weiterer Sanierungs- und Umbauplanungen zu bekennen. Die durchgeführten umfangreichen Untersuchungen lassen nicht erkennen, dass es andere überwiegende öffentliche Belange gibt, sei es der Kosten oder der Nutzbarkeit, die einem Erhalt entgegenstehen. Der massive Sanierungs- und Erneuerungsbedarf betrifft überwiegend den nicht denkmalgeschützten Backstage-Bereich der Anlage. Es ist nicht nachvollziehbar, dass in Frankfurt nicht möglich sein soll, was an vielen Orten im In- und Ausland in den letzten Jahren und Jahrzehnten praktiziert worden ist: die Sanierung und Erneuerung von Theaterkomplexen – auch mit Teilneubauten – unter Beibehaltung der denkmalgeschützten Gebäudeteile. Denkmalschutz ist keineswegs gleichbedeutend mit Stillstand oder Rückwärtsgewandtheit, sondern lässt sich mit konzeptueller Innovation und Transformation der Gesamtanlage verbinden. Sicherlich benötigt Frankfurt heute einen anderen Spielbetrieb als vor 60 Jahren, aber leider fehlt in der Frankfurter Debatte bisher das Verständnis und die Fantasie für die Möglichkeiten, die ein Weiterbauen mit dem Bestand ermöglicht.

Die Stadt Frankfurt hält mit Recht ihre Bedeutung als herausragendes Zentrum moderner Architektur seit den 1920er Jahren hoch und möchte dieser mit einem Welterbeantrag Ausdruck verleihen. Es ist jedoch nicht einsichtig, dass die Stadt einerseits für ihre Siedlungen der 20er Jahre einen Welterbestatus beantragt, andererseits aber wichtige Baudenkmäler der Moderne opfert. Ein Erbe von Weltrang zu besitzen ist das eine, sich als Hüterin dieses Erbes als würdig zu erweisen ist das andere. Wir hoffen sehr, dass Frankfurt diese große Chance nicht verspielt.

Diesen Brief zeichnen:

für die Deutsche Stiftung Denkmalschutz: Dr. Steffen Skudelny (Vorstand)

für ICOMOS Deutschland: Prof. Dr. Jörg Haspel (Präsident)

für den Verband Deutscher Kunsthistoriker: Dr. Martin Bredenbeck (Vorstandsmitglied für die Berufsgruppe Denkmalpflege)

für docomomo Deutschland: Franz Jaschke und Prof. Dr. Uta Pottgiesser (Vorstand)

für den Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege: Prof. Dr. Chistian Raabe (1. Vorsitzender)

für den Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz: Prof. Dr. Christoph Zöpel (Vorsitzender), Prof. Dr. Matthias Müller (stellv. Vorsitzender)