Eintrag veröffentlicht am 18.12.2024, aktualisiert am 21.01.2025

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Neandertalhalle
Gottfried-Wetzel-Straße 7
40822 Mettmann

Erbaut: 1979–82
Entwurf: Wolfgang Rathke
Geschütztes Baudenkmal: ja (seit 2020)

Status: Akute Gefährdung

Im März 2021 schloss die Mettmanner Stadtverwaltung die Stadthalle Mettmann, auch als Neandertalhalle bekannt. Lediglich die dort beheimatete Stadtbibliothek ist bisweilen noch geöffnet. Die Zukunft des Gebäudes ist ungewiss, bereits 2019 beschloss die Stadtverwaltung den Abriss. Der Verlust der unter Denkmalschutz stehenden Landmarke würde die Vernichtung identitätsstiftender Baukultur für Mettmann bedeuten. Unter den Vorzeichen des gebotenen Ressourcenschutzes im Bausektor wäre der Abbruch ohne baufachliche Gründe nicht zu vertreten.

Eine Multifunktionshalle für Mettmann

Foto: Klaus Englert

Neandertalhalle, Medamana-Veranstaltungszentrum oder Laubfroschoper: Die Stadthalle im nordrhein-westfälischen Mettmann hat viele Namen. Es handelt sich um einen so imposanten wie außergewöhnlichen Bau, der den technischen Fortschrittsgeist der 1980er Jahre in sich trägt. Sein Alleinstellungsmerkmal: Die knallgrüne Kunststofffassade, die das skulpturale Gebäude ganzseitig umhüllt. Das Grün nimmt laut Entwurfsverfasser sowohl Bezug auf das Bergische Grün als auch auf das Stadtsignet von Mettmann (welches im bis 2018 genutzten Signet noch präsenter war als im heutigen). Mit der kommunalen Gebietsreform 1975 wurde Mettmann zur Kreisstadt, und die Nachfrage nach einer flexibel nutzbaren Versammlungsstätte wurde laut. Der Auftrag erging 1977 an das Wuppertaler Architekturbüro Rathke. Zwei Jahre darauf erfolgte die Grundsteinlegung, und am 11. Mai 1982 fand die offizielle Eröffnung der Stadthalle statt.

Die stadtbildprägende architektonische Skulptur schlängelt sich am südwestlichen Rand des historischen Ortskerns zwischen Gottfried-Wentzel-Straße und der Straße Am Königshof entlang. Auf der rund 5.000 Quadratmeter großen Nutzfläche befinden sich neben flexibel nutzbaren Raumeinheiten die Stadtbibliothek, Konzert- und Festsäle, Vereinsräume, ein Clubraum, ein Konferenzraum und auch ein Restaurant. Seit der großflächigen Schließung der Halle im Jahr 2021 ist jedoch lediglich die Stadtteilbibliothek noch in Betrieb – die übrigen Räumlichkeiten stehen bis auf Weiteres leer.

 

Baubeschreibung

Foto: Klaus Englert

Die äußere Erscheinung der Halle beruht sowohl auf funktionalen Voraussetzungen als auch auf topografischen Gegebenheiten. Es handelt sich um einen langgestreckten, in den Hang eingepasster Bau. Auffällig ist die Staffelung der Gebäudeteile, die sich durch die unterschiedliche Geschossigkeit der einzelnen Funktionseinheiten und durch Höhenversprünge im Gelände ergeben. Errichtet wurde der Bau aus Ortbeton, das Flachdach wird in verschiedenen Bereichen entweder von einer Binderkonstruktion aus Holzleimbindern oder Stahlfachwerkbindern getragen, wobei die Konstruktion zu großen Teilen offen zutage tritt. Der eigenwillige dreieckige Dachabschluss umhüllt die Binderkonstruktion.

Die vorherrschende Fassadenfarbe ist das Hellgrün der Kunststoffhaut auf den Aluminiumpaneelen, es finden sich aber auch dunklere Grüntöne, großflächige Glasflächen und braune Holzelemente an der Fassade.

Im Inneren dominiert durch die an der Decke offen sichtbaren Holzleimbinder ein Braunton, welcher mit orangefarbenen Akzenten kombiniert und fortgeführt wird. Die Ausstattung der Stadthalle ist weitestgehend erhalten: Wand- und Bodenbeläge, Bestuhlung, Beleuchtung, Türen, Garderobentische- und Ständer sind original aus der Erbauungszeit.

An der westlichen Stirnseite des Gebäudes befinden sich zwei der ursprünglich drei mit Aluminium verkleideten Schornsteine. Diese können als Reminiszenz an den ehemaligen Fabrikstandort gelesen werden, denn auf dem Gelände befanden sich zuvor die Fabrik Boniver und der Milchhof.

Foto: Klaus Englert

Die Gesamtplanungen umfassten auch den Außenraum. Pflasterklinker, ziegelsichtige Mauern und Elemente wie Pflanzbeete, Rondelle oder Sitznischen führen das Design des öffentlichen Gebäudes in die Landschaft fort und tragen zur Aufenthaltsqualität bei. Als gebaute Stadtskulptur vermittelt die Halle mit ihrer eigensinnigen Fassadenausformung und den großflächigen Fensterflächen gekonnt zwischen innen und außen.

„In seiner zeittypischen, ortsspezifischen und ausdrucksstarken Architektur steht der Bau souverän individualistisch für Eigenwilligkeit und im Entwurf couragiert für die Experimentierfreude seiner Zeit und ist ein einzigartiges, bedeutenden und erhaltenswertes Werk der Architekturgeschichte“ (Janßen-Schnabel 2018, S. 30).

 

Baugeschichtliche Bedeutung

Die Stadthalle kann als Zeugnis der kommunalen Neugliederung Mettmanns gelesen werden. Die Ernennung zur Kreisstadt 1975 brachte die Notwendigkeit einer großmaßstäblichen Neugliederung mit sich. Der Bau entspricht dem Mehrzweckgedanken seiner Zeit, denn er dient nicht nur als Versammlungsstätte, sondern bringt multiple Funktionen unter einem Dach zusammen.

„Als Dokument für die geschichtliche Identität von Mettmann steht das Objekt in einem zeitgeschichtlichen Zusammenhang. Der Bau fängt die gesellschaftliche Stimmung des Diskutierens, der Mitsprache, des Einübens von demokratischen Regeln geradezu plakativ ein und bildet diese in seiner Konzeption ab, indem er in vielfältiger Form Räume zur Verfügung stellt, zumal Konzept und Baukörper in einem schöpferischen Prozess entstanden: inhaltlich im Zwiegespräch mit Verwaltung und Stadtrat und baulich im Wechselbezug zum umgebenden städtischen Raum.“ (Janßen-Schnabel 2023)

 

Wie geht es weiter?

Welche Raumbedarfe hat die Mettmanner Stadtgesellschaft? Wie lassen sich diese innerhalb des Gebäudes verwirklichen, ohne das Gesamtkunstwerk zu zerstören? Wäre ein integrales Weiterbauen entsprechend dem Entwurfsgedanken von Rathke möglich? Diese Fragen stellen sich die Abrissgegner in Mettmann und haben Antworten parat: Durch das modulare Bausystem sind Grundrissänderungen denkbar und widersprechen nicht einmal dem Entwurfsgedanken. Auch Anbauten seien denkbar und könnten die Zukunft der Halle sichern. Denn der seit Jahrzehnten als Ort des Zusammenkommens fungierenden Halle, die Aufenthaltsqualität und Identität für Anwohnende stiftet, eine nachhaltige Perspektive zu gewährleisten, ist die Zielsetzung der Mettmanner Denkmalpflege.

Foto: Klaus Englert

Der Architekturjournalist Dr. Klaus Englert sowie Mettmanner Initiativen und Vereine fordern, dass die Mettmanner Stadthalle weitergenutzt wird. „Insgesamt konnten 1.500 Unterschriften gegen den Abriss der Neandertalhalle gesammelt werden. Für eine Kreisstadt wie Mettmann ist das beachtlich. Es ist die erfolgreichste Petition, die es jemals in Mettmann gab. […] Die erfolgreiche Petition ist ein klares Signal der Mettmanner Bürger – ein Signal an Stadtverwaltung und Stadtrat. Verantwortliches Handeln ist angesagt. Konkret: die Rücknahme des Abriss-Beschlusses. Die Petition ist ein Weckruf.“

Der Abriss der Neandertalhalle wäre ein immenser baukultureller und sozialer Verlust – nicht nur für die Mettmanner Stadtgesellschaft, sondern auch für die überregionale Architekturlandschaft. Stilistisch zwischen Brutalismus und Postmoderne angesiedelt, spiegelt die Halle die Entwurfsideen der sogenannten High-Tech-Architektur wider. Mit Blick auf das Berliner ICC von 1975 – bekannt als „Mutter-Raumschiff“ der deutschen High-Tech-Architektur – kann die Neandertalhalle in einen bundesweiten Kontext eingeordnet werden. Durch die Offenlegung der Konstruktion manifestiert sich der Fortschrittsgedanke der 1980er Jahre in diesem Objekt, welches 2020 vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die Baugattung Stadthalle ist ein wichtiges Zeugnis für das Zusammenleben der Menschen in Städten und Siedlungen und ihre kulturellen und sozialen Praktiken. Die Stadthalle steht aus künstlerischen, wissenschaftlichen, insbesondere ortsgeschichtlichen sowie städtebaulichen Gründen unter Denkmalschutz. Ein Gesamtkunstwerk mit solch einem historischen Aussagewert, mit noch vorhandener Originalausstattung und in gutem baulichem Zustand muss erhalten bleiben. Die Bedürfnisse der Stadtbevölkerung müssen gehört werden, die Bedarfe ermittelt und mitberücksichtigt werden. Auch das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland spricht sich gegen den Abriss aus. Für die Denkmallandschaft Deutschlands und aus Gründen der Nachhaltigkeit wäre der Erhalt mehr als wünschenswert.

Text: Makrina Rose
Redaktion: Corinna Tell

 

Oben: Foto: Klaus Englert

Weitere Beiträge

  • Elke Janßen-Schnabel, Die Laubfroschoper in Mettmann. In: Denkmalpflege im Rheinland, 35. Jahrgang Nr. 1 – 1. Vierteljahr 2018, S. 22–30.
  • Elke Janßen-Schnabel, Grün ohne Hoffnung, in: Bunt! Die Farbe in der Moderne (Winterheft 23/1, moderne regional)
  • Stadthalle Mettmann. Wo bleibt die Perspektive? (Wählergemeinschaft M.U.T.)
  • Klaus Englert, Kein Abriss der Stadthalle! Offener Brief an Bürgermeisterin und Stadtrat von Mettmann (openPetition, 18.08.2022)
  • Klaus Englert, Brief an die Mandatsträger der Mettmanner Stadtrates. Aktion gegen den Abriss der Mettmanner Stadthalle, März 2024
  • Stadtentwicklung in Mettmann. Immer mehr Bürger unterschreiben für den Erhalt der Stadthalle (Rheinische Post vom 10.04.2023)
  • Yasmin Renges, Die Bedeutung der Stadthalle in Mettmann (Kreisstadt Mettmann)
  • Dirk Neubauer, Diskussion in Mettmann: Offener Brief zum Erhalt der Stadthalle (Rheinische Post vom 16.12.2024)
  • Offener Brief für den Erhalt der Stadthalle (Schaufenster Mettmann, KW 52/2024)

PRESSERESONANZ

Thomas Reuter, Neandertalhalle steht jetzt auf der „Roten Liste“ (taeglich.me vom 5. Januar 2025)