Rathaus I Iserlohn
Rathaus I Iserlohn
Schillerplatz 7
58636 Iserlohn
Erbaut: 1972–74
Entwurf: Arbeitsgruppe Iserlohner Architekten (AAI); Ernst Dossmann et al.
Geschütztes Baudenkmal: ja, seit 2018
Status: akute Gefährdung
Nachdem das Rathaus I der Stadt Iserlohn erst 2018 unter Denkmalschutz gestellt worden war, ist es nun aufgrund erheblicher Brandschutzmängel vom Abriss bedroht. Mit dem Abriss der Fußgängerbrücke 2019 wurde die städtebauliche Verbindung zwischen dem zentralen Schillerplatz und dem Rathaus-Areal gekappt. Das direkt an den Schillerplatz angrenzende Karstadt-Gebäude soll im Sommer 2021 folgen. Nun scheint mit dem Rathaus auch der letzte Hinweis auf die Nachkriegsmoderne im Iserlohner Stadtzentrum weichen zu müssen.
„Das Auffälligste am neuen Rathaus ist seine Schönheit“ (Grüber 1974, S. 8). Mit diesen Worten leitet ein Text über das neue Rathaus der Stadt Iserlohn ein, der anlässlich der Einweihung 1974 veröffentlicht wurde. Schön, so argumentiert der Text weiter, sei an dem Bau, dass er seine Funktion genau anzeige und erfülle. Ein „öffentliches Gebrauchs-Kunstwerk“ (ebd., S. 9), das gar nicht erst versuche, sich als etwas anderes auszugeben als es ist: ein Bauwerk, das der Verwaltung und der transparenten Kommunalpolitik dienen soll. Diesen Zweck erfüllte der Bau bis in das Jahr 2019, in dem erhebliche Brandschutzmängel festgestellt wurden. Da eine Sanierung laut Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) nicht zumutbar sei, wird aktuell die Aberkennung des Denkmalstatus diskutiert, um den Abriss zu ermöglichen (Drees 2021). Seither steht das Gebäude größtenteils leer und die Verwaltungsorgane sind in über die Stadt verstreute, teils relativ weit außerhalb des Zentrums gelegene Bauten ausgewichen. Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es noch keine konkreten Pläne, was mit dem Grundstück nach einem Abriss geschehen soll. Ein Neubau am Bahnhof – also an einer völlig anderen Stelle – wird diskutiert (Gelewski 2019).
Verschönerung der Stadtsilhouette sei nicht primäres Ziel dieses Rathauses, heißt es in der Veröffentlichung 1974. Und doch wurde von der Arbeitsgruppe Iserlohner Architekten (AAI) ein weithin sichtbarer „Turmbau“ – so der zitierte Text – nördlich des innerstädtischen Schillerplatzes errichtet. Auf Ebene der Autofahrenden durch den Theodor-Heuss-Ring getrennt, waren der Platz und das Rathaus für Fußgänger/-innen bis 2019 durch eine Brücke verbunden. Auch diese städtebauliche Konzeption wurde von der AAI mit geplant, die ein besonderes Augenmerk auf Erreichbarkeit des Rathauses legte. So ließ sich die auf der unteren Ebene gelegene Bushaltestelle vor dem Rathaus von der Fußgängerbrücke aus schnell über eine Rolltreppe erreichen und das Parkhaus direkt unter dem Rathaus machte den Ort für Autofahrende komfortabel erreichbar. Bis zum Abriss der Fußgängerbrücke war das Areal um das Rathaus ein – trotz einiger Mängel, wie nicht funktionaler Rolltreppen – gut funktionierendes Beispiel für Städtebau nach dem Prinzip der „autogerechten Stadt“. Tatsächlich wurde im Zuge der Eintragung des Rathauses in die Denkmalliste diskutiert, ob nicht das gesamte Areal unter Schutz zu stellen sei. Obwohl Iserlohn im Zweiten Weltkrieg nur wenig zerstört worden war, wurde die Innenstadt in der Zeit zwischen 1967 und Mitte der 1980er Jahre stark umgebaut und umstrukturiert. Viele dieser Veränderungen wurden in den letzten Jahren zurückgebaut. Die eingangs angeführte Kategorie „Schönheit“, die denkmalpflegerisch keine Rolle spielt, führt bei nicht denkmalgeschützten Bauten und urbanen Strukturen der Nachkriegszeit oft dazu, dass sie als entbehrlich angesehen werden. Das Rathaus I wurde hingegen 2018 unter Denkmalschutz gestellt (Kleine 2018), um Fassaden und Foyer in ihrer intendierten Form erhalten zu können, während die Innenaufteilung den Erfordernissen neuerer Verwaltung angepasst werden durften.
Glas als Zeichen der Transparenz der Verwaltung gegenüber der Bürgerschaft spielte bei der Umsetzung des Rathauses eine wichtige Rolle. Die durchlaufenden Glasfronten des siebengeschossigen Baus sowie die vom Künstler Jürgen Dieterler verzierte Glastür des niedrigen Eingangsbereiches sollten anzeigen, dass hier nichts „hinter verschlossenen Türen“ geschah. Eine einladende Geste stellte der vom Vorplatz in das Foyer fortgeführte Steinbelag dar. Der hervortretende, nicht verglaste Kubus, der den Ratssaal beherbergte, wirkt hingegen wenig transparent. Hier wurde dem Rat eine repräsentative Stellung innerhalb des gesamten Ensembles gewährt. Der Ratssaal ist allerdings auf Pfeiler gesetzt und so mit dem urbanen Raum verzahnt: Während im Inneren diskutiert und beraten wurde, liefen die Bürger/-innen direkt unter dem Baukörper hindurch. Die verzierten Glastüren am Eingang mussten zwischenzeitlich gläsernen Schiebetüren weichen. Andere Kunstwerke, die damals in der Aktion „Iserlohner Künstler gestalten das neue Rathaus“ extra für den Ort gefertigt wurden, befinden sich jedoch noch im Haus; so unter anderem eine Grafik von Karl Heinz Stannek. Im Februar 2021 stellte die SPD-Fraktion Iserlohn einen Antrag an den Kulturausschuss, um zu erfahren, was mit den Kunstwerken im Falle des Abrisses geschehen wird.
Das Ensemble aus dem 1967 neu gestalteten Schillerplatz und dem im selben Jahr eröffneten Karstadt-Gebäude war ein Zeichen des Aufschwungs in der Nachkriegszeit. Mit dem angrenzenden Rathaus I und der Verbindung über die Fußgängerbrücke mit Brücken-Café wurde es zu einem urbanen Dreh- und Angelpunkt. Dieser Teil der Stadtgeschichte ist mit der – durchaus nötigen – Sanierung des Platzes und dem anstehenden Abriss des Karstadt-Gebäudes (Drees 2020) bereits so gut wie aus dem urbanen Kontext gestrichen. Dass der Wunsch nach Abriss des Rathauses ohne längere Diskussion im Rat beschlossen wurde (Gelewski 2020) zeigt, wie wenig Nachkriegsarchitektur als schützenswertes Gut erachtet wird. Insbesondere die Schnellbauweise mit vorgefertigten Teilen, findet sich bei vielen Verwaltungs- und Bildungsbauten der 60er und 70er Jahre in der Region. Die Iserlohner Innenstadt kann hingegen nur noch diesen einen vorweisen.
Zur aktuellen Situation befragt, äußerten sich das Bauressort der Stadt Iserlohn und der Landesverband Westfalen Lippe (LWL) als die zuständige Obere Denkmalbehörde in ähnlicher Weise. Im Zuge der jüngsten Begutachtungen zur Sanierung des Gebäudes und seiner Ertüchtigung nach heutigen Brandschutzvorgaben im Jahr 2019 habe sich als das gravierendste Problem für den Bau der Baugrund, ganz ähnlich wie beim angrenzenden Schillerplatz, herausgestellt. Hier wie dort wird tragfähiger Baugrund erst tief im Boden erreicht, während die darüber liegenden Schichten heterogen und instabil sind, einerseits infolge natürlicher Gesteinsvorkommen (sog. Massenkalk) andererseits durch frühere bergbauliche Tätigkeiten. Bereits beim Bau des Rathauses trug man diesem Umstand Rechnung, indem man das Gebäude auf justierbaren Stützen gründete, deren Limit aber nunmehr erreicht sei. Nach einzelnen Sanierungsmaßnahmen 2009/10 ergaben weitere Gutachten aus den Jahren 2011 und 2015 zunächst die Notwendigkeit, das Gebäude grundlegend technisch zu erneuern und vor allem hinsichtlich der mangelhaften Brandschutz- und Fluchtwegesituation auf den heutigen Stand zu bringen. Die Bodenproblematik stellte sich erst in einem weiteren Schritt heraus, als 2019 erneut Gutachten zum Brandschutz und zum Baugrund eingeholt wurden. Die derzeitige Situation stellt sich so dar, dass eine Umsetzung der erforderlichen Brandschutzmaßnahmen (die schon für sich erhebliche Eingriffe in die denkmalgeschützte Gebäudefassade bedeuteten) erst nach einer Sicherung der Statik möglich wäre, diese aber in dem bestehenden Rathausgebäude nicht zu verwirklichen ist. Das geologische Gutachten von 2019 befand, dass eine völlig neue statische Gründung des Rathauses mittels neuer Stützen vonnöten sei, merkt jedoch an, dass dies in dem bestehenden Gebäude technisch nicht realisierbar sei (Drucksache DS9/3621, S. 10). Aufgrund dieser äußeren Umstände wird die Stadt Iserlohn voraussichtlich für das Rathaus einen Abbruchantrag stellen und dieser wird wohl auch vom LWL gebilligt werden, obwohl das Gebäude in architektonischer, stadtgeschichtlicher und städtebaulicher Hinsicht als denkmalwürdig eingestuft wurde. Es würde dann als letztes Gebäude das Schicksal der restlichen Iserlohner Stadtzentrumsgestaltung der Nachkriegsmoderne teilen und allenfalls in dokumentarischer Form erhalten bleiben.
Text: Christin Ruppio
Redaktion: Carola Dittrich