Sport- und Erholungszentrum (SEZ) Berlin

Eintrag veröffentlicht am 14.11.2024

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Das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) Berlin
Landsberger Allee 77
10249 Berlin (Ortsteil Friedrichshain)

Erbaut: 1978–1981
Entwurf:  nicht näher bezeichnetes schwedisches Architekten­team und die Aufbauleitung Sonder­vorhaben Berlin (Gesamtleitung von Erhardt Gißke, Pläne von Bernd Fundel, Günter Reiß, Klaus Tröger und Otto Patzelt); Umsetzung mit der West­deutschen Firma Hochtief (unter Mitwirkung des kurz zuvor aus der DDR geflüchteten Günter Reiß)

Geschütztes Baudenkmal: nein

Status: Akute Gefährdung

Das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) ist ein beeindruckendes Zeugnis der Ostmoderne der 1980er Jahre. Ein Investoren­krimi verhinderte jahrelang die Weiter- und Nachnutzung. Trotz Teil-Revitali­sie­rungen blieb das SEZ lange Zeit ungenutzt. Nach Privati­sierung und Rücküberführung hält der Berliner Senat am Abriss fest. Bürgerinitiativen und die Fachwelt sprechen sich für den Erhalt der Ikone aus. Die im Oktober 2024 legalisierte Zwischen­nutzung könnte der Beginn einer neuen Ära sein.

Unterstützung: Bürgerinitiative „SEZ für alle!“, Architektenkammer Berlin, Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V.

Dem Sport- und Erholungszentrum (SEZ), einem beeindruckenden Zeugnis der Ostmoderne der 1980er Jahre, droht der Abriss

1981 wurde das Sport- und Erholungs­zentrum (SEZ) am Verkehrs­knotenpunkt Landsberger Allee/ Ecke Danziger Straße in Berlin eröffnet. Mit seinem vielfältigen Sport- und Freizeit­angebot sowie der modernen Architektur war es ein absoluter Publikums­magnet und zog bereits in den ersten fünf Jahren etwa 16 Millionen Besucher an. Die Zahl der Beschäftigten betrug rund 850 Personen, die im Drei­schicht­betrieb arbeiteten.

Nach dem Mauerfall übernahm der Senat der Stadt Berlin das SEZ und schloss kurze Zeit später erste Teilbereiche. Das Objekt sollte privatisiert werden und deshalb erforderliche Sanierungs­maßnahmen zurückgestellt. 1993 initiierte der Bezirk Friedrichshain die Aufstellung eines Bebauungs­planes zum Erhalt und zur Sicherung der Gesamtanlage SEZ. Ein 1998 vom Berliner Senat beauftragtes Sanie­rungs­kon­zept ermittelte einen Investi­tions­bedarf von 35 Mio. DM, zuzüglich zu den laufenden Zuschüssen für den Betrieb in zweistelliger Millionen­höhe. Im Jahr 2000 wurde das SEZ den Berliner Bäder­betrieben zugeordnet und die Suche nach einem Investor begann. Da sich kein Investor fand, wurde der Betrieb des SEZ Ende 2002 eingestellt.

Wie viele öffentliche Gebäude auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wurde auch dieses Objekt 2003 durch den Liegen­schafts­fond für einen symbolischen Euro an den Privatmann Rainer Löhnitz veräußert. In einer Presse­mitteilung des Senats vom 01.07.2003 hieß es: „Der Senat hatte die Vergabe des SEZ an eine feste Zusage des Investors für eine Wieder­eröffnung des Schwimm­bereiches geknüpft […] Innerhalb eines mit der Senats­verwaltung für Finanzen vertraglich abgestimmten Zeitraums von maximal fünf Jahren wird dann die Schwimmhalle zu einem modernen, familien­freundlichen Spaßbad umgebaut.

Der private Eigentümer gab dem Gebäude einen neuen Anstrich und nahm Teil­bereiche (Bowlingbahn, Badminton und Tisch­tennis) wieder in Betrieb. Nach Entkernungs- und Instand­haltungs­maßnahmen im Gebäude und einer Umgestaltung des Parks, fanden ab 2004 Veran­staltungen und Ausstellungen statt. 2009 wurde ein Sport­bereich mit Ballsport, Fitness, kleinem Wasserbecken, Sauna­bereich und Außenpool eröffnet.

2013 initiierte der Bezirk Friedrichs­hain-Kreuzberg die Aufstellung eines Bebauungs­planes zur Sicherung der Fläche mit dem besonderen Nutzungs­zweck „Sport und Erholung“ und beschloss, die Denkmal­würdigkeit des SEZ prüfen zu lassen. Der Antrag auf Unter Schutz Stellung wurde vom Landes­denkmalamt 2014 abschlägig beschieden.

Der Eigentümer hatte langfristig andere Pläne mit dem Grundstück und stellte 2013 bis 2015 mehrere Anträge auf Vorbescheid für eine Umnutzung des Grund­stückes mit Abriss des Bestandsgebäudes. Geplant waren u.a. eine Blockrand­bebauung inkl. Eckhochhaus und dahinter Solitär­gebäude und eine Kita. Weitere Nutzungsideen des privaten Eigentümers waren u.a. eine Hotel- und Ferien­wohnanlage, eine neue Sport-, Freizeit- und Wellness­anlage, ein Hostel, ein Wohnmobil­stellplatz sowie eine Reithalle.

Da das Gebäude weiterhin in weiten Teilen leer stand, forderte die Bezirks­verordneten­versammlung (BVV) Friedrichs­hain-Kreuzberg 2014 das Bezirksamt auf, sich beim Senat für die Rückabwicklung des Kaufvertrages zum SEZ einzusetzen bzw. die Rückkauf­option auszuüben. Der private Eigentümer klagte auf Löschung der Auflassungs­vormerkung im Grundbuch, mit der das Wiederkaufs­recht des Landes Berlin bei Vertrags­verletzung gesichert wurde. Im Gegenzug klagte das Land Berlin auf Rück­gabe des SEZ, da der private Eigentümer nicht, wie vertraglich vereinbart, das Hallenbad wieder in Betrieb genommen hatte.

Da der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sich weigerte, auf dem SEZ-Gelände Wohnungs­neubau zu planen, zog die Senatsverwaltung für Stadt­entwicklung und Umwelt das B-Plan-Verfahren aufgrund dringender gesamtstädtischer Interessen (Bauvorhaben mit mehr als 200 Wohnungen) Ende 2015 an sich und erließ zunächst eine Ver­än­de­rungs­sperre, wogegen der private Eigentümer einen Normen­kontroll­antrag stellte. Ende 2016 und Ende 2017 verlängerte der Senat jeweils die Ver­ände­rungs­­sperre, während das Bebau­ungs­plan­ver­fahren fortgeführt wurde. Gegen den B-Plan wurden v.a. von engagierten Bürgerinnen und Bürgern mehrere Einsprüche eingelegt, in denen hervor­gehoben wurde, dass es ein über­geordnetes Interesse am Erhalt des Bestands gebe und Alternativen zum Abriss nicht hinreichend geprüft worden seien. Die Einsprüche wurden als unbegründet zurückgewiesen. Ende 2018 wurde der Bebauungsplan 2-43 dann festgesetzt. Dieser sah den Abriss des SEZ vor und sollte den Bau von 500 Wohnungen und eine neue Schule ermöglichen, Sportflächen waren ebenfalls vorgesehen.

Unterdessen liefen die Verfahren zur Rück­gabe des SEZ weiter und das Landgericht Berlin entschied Ende 2018, dass die Auflassungs­vormerkung im Grundbuch gegen Zahlung eines Ablösebetrags von fast 1 Mio. EUR durch den privaten Eigentümer gelöscht werden solle und er das SEZ damit behalten dürfe. Dieses Urteil wurde 2022 vom Kammer­gericht Berlin aufgehoben und stattdessen der Verkauf der Immobilie an das Land Berlin für 1 EUR angeordnet. Daraufhin zog der private Eigentümer vor den Bundes­gerichtshof, Ende 2023 wies der BGH seine Beschwerde zurück. Am 01.10.2024 erließ das Land Berlin die Zwangs­voll­streckung per Gerichtsvollzieher und übergab das Gelände an die landeseigene BIM Berliner Immobilien­management, die bereits im Grundbuch eingetragen worden war. Der Senat von Berlin plant weiterhin den Abriss des SEZ-Gebäudes sowie den Bau von Wohnungen und einer Schule.

Geschichtliche Bedeutung

Turnhallen, Foto: Susanne Lorenz, 12.10.2024

Das SEZ hat eine bemerkenswerte Ost-West-Planungs- und Entstehungs­geschichte und ist ein heraus­ragendes Beispiel für die außer­gewöhnliche Kooperation über System- und Länder­grenzen hinweg in der späten DDR. An seiner Entstehung waren eine schwedische Baufirma, die westdeutsche Hochtief AG, die Aufbauleitung Sonder­vorhaben Berlin unter Erhardt Gißke und Betriebe aus der ge­sam­ten DDR beteiligt. Besonderes Augenmerk verdient der feder­führende Architekt Günter Reiß, der wenige Jahre vor Baubeginn aus der DDR nach Westberlin geflohen war und dessen Mitwirken bei Hochtief damals geheim gehalten wurde. Gemeinsam schufen diese Akteure in einer kurzen Bauzeit, die eine parallele Projek­tierung und Bauaus­führung erforderte, ein Gebäude­ensemble, das in seiner Größe und Vielfalt einzigartig ist.

Die bebaute Grundfläche aller Geschosse des SEZ beträgt ca. 35.000 Quadrat­meter. Das multi­funktionale Gebäude bot einmal ca. 1.800 Quadratmeter Wasser­fläche (25-m-, Sprung-, Kaskaden-, Wellen-, Strahlen-, Kinderplansch-, Versehrten- und Außen­becken mit Rutsche), Solarien, Saunen, eine Rollschuh- und Eislaufanlage (überdacht und offen), Sport- und Spielhallen (für Volleyball, Tischtennis, Basketball, Handball, Badminton u.a.), eine Turnhalle, einen Gymnastik- und Ballettsaal, einen Kraftraum, sportme­dizini­sche Be­ra­tung, eine Bowling­anlage mit 16 Bah­nen, Mehrzwecksäle, einen Konferenz­raum, Zirkelräume, einen Kinder­sportgarten, eine Freizeit­promenade (Billiard, Spiel- und Lesebereich), verschiedene Cafés, Restaurants und Bars, Kioske, eine Per­so­nal­­kantine und einen Friseursalon.

Turnhallen, Foto: Susanne Lorenz, 12.10.2024

Im großen Schwimmbadbereich wurden, neben dem Freizeit-Schwimmbetrieb, Schwimmkurse, volks­sportliche Wett­kämpfe, Meilen­schwimmen, Tauchkurse und Veranstaltungen wie Neptun­feste angeboten. In der Sport- und Turnhalle wurden Sportkurse (z.B. Kondi­tionierungs­training, Ballspiele, Gymnastik) angeboten. In den Veranstaltungs­räumen gab es u.a. künstlerische Zirkel und Kurse, Veranstaltungen und Aus­stellungen.

Themenabende wie „SEZ komplett“ mit dem Berliner Bade-Ball, bei denen an einem Wochenende alle Räume in eine Oase des Feierns, der Musik, Kultur und Begegnung verwandelt wurden, oder die „Funzel-Abende“ mit literarisch-musikalischem Programm waren legendär. Ebenso beliebt waren das „Mitternachts­schwimmen“ und die „Polardisko“. Weiterhin gab es die Veranstaltungsreihen „Lachpille“, „Erlesenes zur Nacht“, „Superwelle“, „Muskel-Studio“, „Mitternachts-Bowling“, „Rock’N Roll-Studio“, „Sport-Kirmes“ und viele weitere mehr. Auch Fernseh­über­tragungen von Veranstaltungen aus dem SEZ, wie „Medizin nach Noten“ oder Auftritte von Prominenete wie Helga Hahnemann, sind vielen Menschen bis heute in Erinnerung.

Die Gesamtfläche des SEZ-Geländes um­fasst ca. 8 Hek­tar, davon waren ca. 5 Hek­tar Außenanlagen, die ursprünglich auch vielfältige Nutzungen boten (Außenbühne am Ballett­saal inkl. Zuschauertribüne, Liegewiese, Kinderspielplatz, Bereich für Brett­spiele wie Bodenschach, Dame und Mühle, vier Kegel­bahnen, Shuffleboard, Stockschießen, Boccia, eine Anlage zum Ablegen von Sportabzeichen inkl. Luftgewehr­schieß­stand, Plätze für Fußball, Volleyball, Basketball, Federball, Minigolf und Tischtennis).

 

Baukünstlerische Bedeutung

In der Architekturwelt wird das SEZ als unverzichtbare Ikone der Nachkriegs­moderne sowie identitäts­stiftendes bau­kulturel­les Erbe der DDR und der Ost-Moderne angesehen. Das SEZ ist ein her­aus­ragendes Beispiel der berlin­spezifischen „Organischen Architektur“ und des weltweit wieder­entdeckten sogenannten „Brutalismus“, zwei Architektur­strömungen, die in Berlin in den 1970er und 1980er Jahren besonders prägend waren.

Die Fassaden sind abwechslungs­reich gegliedert und bereits hier findet sich das Farbkonzept, welches sich im Inneren fortsetzt, mit kräftigen Grundtönen in Rot-, Gelb- und Blau. Die Farbgebung der Gebäude­teile folgte den vier Jahreszeiten (Herbst und Winter im Bereich der Eislauf­anlagen in der heutigen Landsberger Allee, Sommer im zentralen Bereich der Schwimmhalle, Frühling im Bereich der Bowling- und Sportanlage an der heutigen Danziger Straße). Die vielfältigen Formen und Materialien, die farb­intensiven Ober­flächen und die großzügige Verwendung von Glas­elementen verleihen dem Bauwerk einen unverwechsel­baren Charakter. So wird es etwa auch mit dem berühmten Centre Pompidou in Paris verglichen.

Wellenbecken, Foto: Susanne Lorenz, 29.09.2024

Ein baukünstlerisches Meisterwerk ist dem internationalen Architekten­team im Bereich der Wasser­nutzung gelungen. Hier ist eine außer­gewöhn­liche Bade­land­schaft entstanden, die über mehrere Ebenen mit terrassierten Kaskaden­becken verbunden sind. Darüber verbinden zwei Brücken die unterschied­lichen Nutzungs­bereiche. Im Inneren besticht der Badbereich durch eine komplexe Durch­dringung unterschiedlicher Nutzungs­beziehungen. Die verspringende komplexe Dach­konstruktion schafft einen besonderen Erlebnisraum und ist durch die Oberbelichtung lichtdurchflutet.

Formal hat das Gebäude eine un­ver­wech­selbare Identität. Die Dreischif­figkeit ist deutlich wahrnehmbar und spiegelt perfekt die unterschied­lichen Nutzungs­arten wider. Die offene Fassade an der Landsberger Allee umfasst die Eisbahn mit einge­schobenen Service­pavillons im Erdgeschoss und erhöhten Grünrabatten im Außenbereich, die Durchblicke in die imposante Eishalle erlauben.

Der sich schräg in die Straßenecke schiebende Baukörper besitzt durch seine expressiven Dreiecks­fachwerk­binder aus Stahl eine markante Erscheinung, die über das Dach eine ungewöhnliche Fortsetzung findet. Der plastische Übergang der Binder von einer offen vertikalen in eine verglaste horizontale, mit einem markanten Sonnen­schutz versehene Konstruktion, prägt das Ensemble im Bereich großer Stützweiten (Schwimm- und Sporthalle, z.T. Eisbahn) nach außen. Die effektvolle Kombination aus Oberlicht­bändern mit der Tragwerk­struktur ist in dieser Form selten und schafft eine hohe räumliche Qualität im Inneren.

Die Bauwelt schreibt: „Nicht nur als Erinnerungs­ort der jüngeren DDR-Baugeschichte lohnt sich der Erhalt des Bauwerks. Angesichts der auf die Verantwortung eines bundes­deutschen Bau­unter­nehmens und dessen „Schlüssel­fertig-Abteilung“ zurückzuführende Genese des Baus darf das SEZ als absolutes Novum in der Architektur­geschichte beider deutscher Staaten gelten. Es ist der prominenteste Beleg für existierende planerische Netz­werke zwischen DDR und BRD, ein plausibles Modell­vorhaben zur Auslotung von Aushandlungs­strategien, um Bauvorhaben auch an politisch hinderlichen Doktrinen vorbei realisieren zu können.

Die Bedeutung des SEZ als Zeugnis der Ostmoderne ist durch den Verlust zahlreicher heraus­ragender Gebäude der ehemaligen DDR, wie dem Palast der Republik, dem Restaurant Ahornblatt, dem Palasthotel, dem Hotel Berolina, dem Stadion der Weltjugend und der Fachhoch­schule in Potsdam zusätzlich gestiegen. Aktuell hat auch der Abriss des Jahnstadions begonnen.

 

Wissenschaftliche Bedeutung

Bereits zur Bauzeit des SEZ mitten in der Ölkrise wurden fortschritt­liche technische Systeme integriert, die für die damalige Zeit zukunftsweisend waren. Besonders hervorzuheben ist das komplexe System der Kälte-Wärme-Kopplung. Die Kälteanlage zur Vereisung der Kunst­eisbahnen im Winter diente im Sommer der Klimati­sierung des Rollschuh­bereichs. Die bei Kunsteisbetrieb und Klima­kühlung anfallende Verflüssigungs­wärme wurde zum Erwärmen des Wassers in den Schwimm­becken und den Duschen genutzt. Während der nächtlichen Nichtnutzung wurde die Abwärme durch eine Wärmepumpe in die Fußboden­heizung übertragen. Alle Bereiche um die Schwimmbecken, der Imbiss­bereich, die Tribüne und die Böden der Umkleide­bereiche waren mit einer Fußboden­heizung ausgestattet. Mit einer weiteren Wärmepumpena­nlage wurde das Dusch­abwasser zur Wärmerück­gewinnung verwendet. Auch die Verwendung von Ozon neben Chlor zur Wasser­aufbe­reitung war damals ein Novum und trug zur hohen Wasser­qualität bei. Die Wellen im Wellen­becken wurden durch den Wechsel des Luftdrucks auf die Wasser­ober­fläche erzeugt.

Die Konstruktion des Gebäudes bietet technisches Know-how auf höchstem Niveau. Die weit gespannte Stahl­konstruk­tion, welche die Schwimm-, Eis- und Sporthalle überspannt, hat durch Voll­verzinkung und Korrosions­schutz eine hohe Langlebigkeit. Sie ermöglicht die Stützen­freiheit in den großen Hallen und sorgt nicht nur für Funktionalität, sondern auch für architek­tonische Eleganz. Die Beleuchtung von oben durch Sattel­dächer ermöglicht die blendfreie Ausleuchtung der Hallen. Durch die Verwendung von speziellen Wärmeschutzgläsern und den Einsatz von Sonnenschutz­jalousien wird ein Wärmeverlust im Winter und ein Aufheizen im Sommer vermindert.

 

Städtebauliche Bedeutung

Außenpool, Foto: Sebastian Golbik, ca. 2018/19

Gemeinsam mit dem Friesen-Stadion im Neuen Hain, zurückgebaut 1999, bildete das SEZ ein funktionelles Ensemble. Beide Elementen ergänzten den angrenzenden Volkspark Friedrichs­hain, ein beliebtes Naherholungsgebiet in den dicht besiedel­ten Stadtteilen Friedrichs­hain und Prenzlauer Berg. Die Architekten und Landschaft­planer nutzten das natürliche Gefälle des Geländes als Übergang hinunter zur Eisbahn sowie für die terrassierten Kaskaden­becken zwischen dem höher liegenden Wellenbad hinunter zu den Innen- und Außen­becken auf Parkniveau. Diese Anordnung ermöglichte das großzügige Raumvolumen im Inneren und zugleich eine zurückhaltende Gebäudehöhe auf Straßenebene. Gleichzeitig fügt sich die parkseitige Fassade mit seinen ausladenden Gla­sfassaden, die eine transparente Verbindung zwischen Innen- und Außenraum schaffen, harmonisch ein.

Vom Neuen Hain führte eine Sicht- und Wegeachse vom dortigen, heute ebenfalls nicht erhaltenen, „Friesenbad“ zum SEZ und verband so elegant Frei- und Hallen­bad. Die ehemaligen Sportanlagen sind heute noch an den Wegen und dem vormaligen Eingangstor des Friesenbads ablesbar.

Das SEZ wurde städtebaulich perfekt in die Umgebung von Park, Sport im Freien, Sport im Innenraum, Verkehr und Wohnen eingebettet. Ein Abriss des SEZ zugunsten einer Neubau-Blockrand­bebauung käme einer Abkopplung der Öffentlichkeit vom Volks­park Friedrichshain gleich.

 

Aktuelle Gefährdungslage

Gefährdet ist das SEZ durch die Ankündigung des Landes Berlin, vertreten durch den Berliner Senat, das Gebäude abreißen zu wollen. Im Bebauungsplan vom 13.12.2018 sind Wohnungen und eine Schule auf dem SEZ-Gelände vorgesehen.

Nach eigenen Angaben (u.a. auf der Podiumsdiskussion „SEZ – Abriss alternativlos?“ am 25.09.2024) kennen die politischen EntscheiderInnen den Erhaltungszustand des Gebäudes im Inneren bisher nicht.

Die Architektenkammer Berlin sowie zahlreiche weitere Expertinnen und Experten betonen den hohen bau­kulturellen Wert des SEZ. Trotz einiger Veränderungen durch den privaten Eigentümer in den letzten Jahren, ist die Grundstruktur des SEZ gut erhalten. Anfragen zur erneuten Prüfung der Denkmalwürdigkeit des SEZ beim Landes­denkmalamt wurden mit Verweis auf die erfolgte Prüfung im Jahr 2013 abgelehnt. Damals gelangte das LDA zur Einschätzung, dass sich aufgrund des schlechten Bauzustands und mangelnder Authentizität (Überlieferungs­zu­stand des Hauses und seines Innenausbaus, Über­formungen) eine Eintragung in die Denkmalliste nicht recht­fertigen ließe. In seiner Antwort vom 14.06.2024 an den Gemeingut in Bürgerin­nenhand e.V. schreibt das Landes­denkmal­amt aber auch: „Unabhängig einer Eintragung in die Denkmalliste besitzt das zwischen 1977 und 1981 federführend von Günter Reiss aus dem Baukonzern ‚Hoch-Tief‘ entworfene und unter Mitwirkung des schwedischen Bau­unternehmens AB Strängbetong ausgeführte Gebäude noch heute besondere Qualitäten und einen hohen Erinnerungs­wert. Für viele Menschen ist das SEZ ein Ort, der bis zu seiner Schließung mit positiven Erinnerungen verknüpft ist und als Teil der eigenen Geschichte wahrgenommen wird. Diese Aspekte weiterhin in die Diskussionen über die Zukunft des Standorts einzubringen und ein vielstimmig vorgetragenes öffentliches Interesse am Erhalt und an einer weiteren Nutzung des SEZ in die Debatte einzubringen, ist von hohem gesellschafts­politischem Wert. Auch das Landesdenk­malamt setzt sich dafür ein, sorgsam mit überlieferten Bauzuständen und Ressourcen umzugehen und appelliert grund­sätzlich im Sinne eines bewussten und pfleglichen Umgangs mit baukul­turellen Über­lieferungen, die Möglichkeiten einer weiteren Nutzung des Bestandes immer sorgfältig zu prüfen.

Das der Bausenator am Abriss des SEZ festhält, machte er auf der Presse­konferenz am 01.10.2024 deutlich. Herr Gaebler sieht demnach keine Veranlassung zur Änderung des B-Plans. Nach seiner Aussage könnte geprüft werden, ob Elemente des SEZ in die neue Bebauung integriert werden können, das SEZ könne aber nicht in der jetzigen Form erhalten werden.

Auch im Oktober 2024 wurden, auf öffentlichen Druck hin, zumindest die im SEZ eingerichteten Zwischen­nutzungen durch Miet­verträge legalisiert und es laufen weitere Verhandlung zur Nutzung.

 

Fazit

Das SEZ abzureißen, wäre für Berlin ein unermesslicher Verlust – weil es wichtiger Teil der Berliner Geschichte ist, eine Ikone der Ostmoderne, solide gebaut und gut erhalten mit visionärer Technik. Es ist zentral gelegen und wird dringend als Sport-, Kultur- und Erholungs­fläche gebraucht.

Die Bevölkerung Berlins wächst seit 20 Jahren, die soziale Infra­struktur wächst aber nicht in gleichem Maße mit bzw. schrumpft sogar. Im Ergebnis besteht ein Mangel an Sport- und Erholungs­stätten. In der Versorgung mit Schwimm­bädern ist Berlin bundesweit Schlusslicht, der Ortsteil Friedrichs­hain mit mehr als 140.000 EinwohnerInnen hat kein einziges Schwimmbad mehr. Zudem hat Berlin seit der Schließung des Blubs und des Schwimmbadbereichs im SEZ kein einziges familien­freundliches Erlebnis­bad mehr. Aktuell investieren die Berliner Bäder­betriebe in die Sanierung und Neu­errich­tung von Schwimmbädern. So sollen u.a. zwei Kombibäder (in den Ortsteilen Mariendorf und Pankow) neu gebaut werden. Man könnte das gut erhaltene SEZ ebenso in die Investitions­planung aufnehmen und damit viel graue Energie erhalten. Dazu passt, dass der Senat sich in seiner Absichtserklärung zu einer möglichen Olympia­bewerbung gemeinsam mit anderen Städten ver­pflichtet hat, vorhandene Sportstätten zu modernisieren und dem Breiten- und Schulsport zur Verfügung zu stellen. Das SEZ war viel mehr als ein Schwimmbad und Erlebnisbad, es bot vielfältige Nutzungs­möglichkeiten für Sport, Kultur und Erholung und könnte auch wieder dazu beitragen, die Stadt lebenswerter zu machen.

Im Beschluss der BVV Friedrichs­hain-Kreuzberg vom 29.05.2024 heißt es:

Einem Komplettabriss des ehemaligen SEZ ist aus städtebaulichen, baukulturellen sowie sozialen Gründen entschieden entgegenzutreten. In einer wachsenden Stadt stellt das Gelände mit seiner Bestands­bebauung eine der letzten großen Flächen für soziale Infra­struktur im Kiez dar. Es bietet großzügige Räume, die durch ihre langjährige, alltagsnahe Nutzung bei vielen Menschen bereits positiv besetzt sind und auch in Zukunft beitragen können, zu einem guten Leben in der Stadt, das mehr umfasst als das reine Wohnen. Abschließend ist fest­zuhalten, dass ein Vorgehen, das den gesamten Baubestand zur Dis­position stellt, ohne die Möglichkeiten einer ökologisch nachhaltigen Sanierung eingehend zu prüfen, besonders in Zeiten einer dringend erforderlichen ressourcen­schonenden Klima­politik, nicht mehr vermittelbar ist. Konzepte einer Weiternutzung nach behutsamer Bestands­erneuerung dürfen nicht bereits im Vorhinein zugunsten eines CO2-intensiven Komplett­abrisses mit anschließendem Neubau aus­geschlos­sen werden.

Durch die funktionale, historische, künstlerische, wissen­schaftliche und städte­bauliche Bedeutung handelt es sich beim SEZ auch ohne Unterschutz­stellung um ein Bauwerk, das einen hohen Denkmalwert besitzt und erhalten werden sollte.

Text: Susanne Lorenz, Carl Waßmuth, Carsten Joost (Bürgerinitiative „SEZ für alle“)
Redaktion: Corinna Tell

 

Oben: Kaskadenbecken, Foto: Susanne Lorenz, 29.09.2024

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