Sport- und Erholungszentrum (SEZ) Berlin
Das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) Berlin
Landsberger Allee 77
10249 Berlin (Ortsteil Friedrichshain)
Erbaut: 1978–1981
Entwurf: nicht näher bezeichnetes schwedisches Architektenteam und die Aufbauleitung Sondervorhaben Berlin (Gesamtleitung von Erhardt Gißke, Pläne von Bernd Fundel, Günter Reiß, Klaus Tröger und Otto Patzelt); Umsetzung mit der Westdeutschen Firma Hochtief (unter Mitwirkung des kurz zuvor aus der DDR geflüchteten Günter Reiß)
Geschütztes Baudenkmal: nein
Status: Akute Gefährdung
Das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) ist ein beeindruckendes Zeugnis der Ostmoderne der 1980er Jahre. Ein Investorenkrimi verhinderte jahrelang die Weiter- und Nachnutzung. Trotz Teil-Revitalisierungen blieb das SEZ lange Zeit ungenutzt. Nach Privatisierung und Rücküberführung hält der Berliner Senat am Abriss fest. Bürgerinitiativen und die Fachwelt sprechen sich für den Erhalt der Ikone aus. Die im Oktober 2024 legalisierte Zwischennutzung könnte der Beginn einer neuen Ära sein.
Unterstützung: Bürgerinitiative „SEZ für alle!“, Architektenkammer Berlin, Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V.
Dem Sport- und Erholungszentrum (SEZ), einem beeindruckenden Zeugnis der Ostmoderne der 1980er Jahre, droht der Abriss
1981 wurde das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) am Verkehrsknotenpunkt Landsberger Allee/ Ecke Danziger Straße in Berlin eröffnet. Mit seinem vielfältigen Sport- und Freizeitangebot sowie der modernen Architektur war es ein absoluter Publikumsmagnet und zog bereits in den ersten fünf Jahren etwa 16 Millionen Besucher an. Die Zahl der Beschäftigten betrug rund 850 Personen, die im Dreischichtbetrieb arbeiteten.
Nach dem Mauerfall übernahm der Senat der Stadt Berlin das SEZ und schloss kurze Zeit später erste Teilbereiche. Das Objekt sollte privatisiert werden und deshalb erforderliche Sanierungsmaßnahmen zurückgestellt. 1993 initiierte der Bezirk Friedrichshain die Aufstellung eines Bebauungsplanes zum Erhalt und zur Sicherung der Gesamtanlage SEZ. Ein 1998 vom Berliner Senat beauftragtes Sanierungskonzept ermittelte einen Investitionsbedarf von 35 Mio. DM, zuzüglich zu den laufenden Zuschüssen für den Betrieb in zweistelliger Millionenhöhe. Im Jahr 2000 wurde das SEZ den Berliner Bäderbetrieben zugeordnet und die Suche nach einem Investor begann. Da sich kein Investor fand, wurde der Betrieb des SEZ Ende 2002 eingestellt.
Wie viele öffentliche Gebäude auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wurde auch dieses Objekt 2003 durch den Liegenschaftsfond für einen symbolischen Euro an den Privatmann Rainer Löhnitz veräußert. In einer Pressemitteilung des Senats vom 01.07.2003 hieß es: „Der Senat hatte die Vergabe des SEZ an eine feste Zusage des Investors für eine Wiedereröffnung des Schwimmbereiches geknüpft […] Innerhalb eines mit der Senatsverwaltung für Finanzen vertraglich abgestimmten Zeitraums von maximal fünf Jahren wird dann die Schwimmhalle zu einem modernen, familienfreundlichen Spaßbad umgebaut.“
Der private Eigentümer gab dem Gebäude einen neuen Anstrich und nahm Teilbereiche (Bowlingbahn, Badminton und Tischtennis) wieder in Betrieb. Nach Entkernungs- und Instandhaltungsmaßnahmen im Gebäude und einer Umgestaltung des Parks, fanden ab 2004 Veranstaltungen und Ausstellungen statt. 2009 wurde ein Sportbereich mit Ballsport, Fitness, kleinem Wasserbecken, Saunabereich und Außenpool eröffnet.
2013 initiierte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Aufstellung eines Bebauungsplanes zur Sicherung der Fläche mit dem besonderen Nutzungszweck „Sport und Erholung“ und beschloss, die Denkmalwürdigkeit des SEZ prüfen zu lassen. Der Antrag auf Unter Schutz Stellung wurde vom Landesdenkmalamt 2014 abschlägig beschieden.
Der Eigentümer hatte langfristig andere Pläne mit dem Grundstück und stellte 2013 bis 2015 mehrere Anträge auf Vorbescheid für eine Umnutzung des Grundstückes mit Abriss des Bestandsgebäudes. Geplant waren u.a. eine Blockrandbebauung inkl. Eckhochhaus und dahinter Solitärgebäude und eine Kita. Weitere Nutzungsideen des privaten Eigentümers waren u.a. eine Hotel- und Ferienwohnanlage, eine neue Sport-, Freizeit- und Wellnessanlage, ein Hostel, ein Wohnmobilstellplatz sowie eine Reithalle.
Da das Gebäude weiterhin in weiten Teilen leer stand, forderte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg 2014 das Bezirksamt auf, sich beim Senat für die Rückabwicklung des Kaufvertrages zum SEZ einzusetzen bzw. die Rückkaufoption auszuüben. Der private Eigentümer klagte auf Löschung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch, mit der das Wiederkaufsrecht des Landes Berlin bei Vertragsverletzung gesichert wurde. Im Gegenzug klagte das Land Berlin auf Rückgabe des SEZ, da der private Eigentümer nicht, wie vertraglich vereinbart, das Hallenbad wieder in Betrieb genommen hatte.
Da der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sich weigerte, auf dem SEZ-Gelände Wohnungsneubau zu planen, zog die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt das B-Plan-Verfahren aufgrund dringender gesamtstädtischer Interessen (Bauvorhaben mit mehr als 200 Wohnungen) Ende 2015 an sich und erließ zunächst eine Veränderungssperre, wogegen der private Eigentümer einen Normenkontrollantrag stellte. Ende 2016 und Ende 2017 verlängerte der Senat jeweils die Veränderungssperre, während das Bebauungsplanverfahren fortgeführt wurde. Gegen den B-Plan wurden v.a. von engagierten Bürgerinnen und Bürgern mehrere Einsprüche eingelegt, in denen hervorgehoben wurde, dass es ein übergeordnetes Interesse am Erhalt des Bestands gebe und Alternativen zum Abriss nicht hinreichend geprüft worden seien. Die Einsprüche wurden als unbegründet zurückgewiesen. Ende 2018 wurde der Bebauungsplan 2-43 dann festgesetzt. Dieser sah den Abriss des SEZ vor und sollte den Bau von 500 Wohnungen und eine neue Schule ermöglichen, Sportflächen waren ebenfalls vorgesehen.
Unterdessen liefen die Verfahren zur Rückgabe des SEZ weiter und das Landgericht Berlin entschied Ende 2018, dass die Auflassungsvormerkung im Grundbuch gegen Zahlung eines Ablösebetrags von fast 1 Mio. EUR durch den privaten Eigentümer gelöscht werden solle und er das SEZ damit behalten dürfe. Dieses Urteil wurde 2022 vom Kammergericht Berlin aufgehoben und stattdessen der Verkauf der Immobilie an das Land Berlin für 1 EUR angeordnet. Daraufhin zog der private Eigentümer vor den Bundesgerichtshof, Ende 2023 wies der BGH seine Beschwerde zurück. Am 01.10.2024 erließ das Land Berlin die Zwangsvollstreckung per Gerichtsvollzieher und übergab das Gelände an die landeseigene BIM Berliner Immobilienmanagement, die bereits im Grundbuch eingetragen worden war. Der Senat von Berlin plant weiterhin den Abriss des SEZ-Gebäudes sowie den Bau von Wohnungen und einer Schule.
Geschichtliche Bedeutung
Das SEZ hat eine bemerkenswerte Ost-West-Planungs- und Entstehungsgeschichte und ist ein herausragendes Beispiel für die außergewöhnliche Kooperation über System- und Ländergrenzen hinweg in der späten DDR. An seiner Entstehung waren eine schwedische Baufirma, die westdeutsche Hochtief AG, die Aufbauleitung Sondervorhaben Berlin unter Erhardt Gißke und Betriebe aus der gesamten DDR beteiligt. Besonderes Augenmerk verdient der federführende Architekt Günter Reiß, der wenige Jahre vor Baubeginn aus der DDR nach Westberlin geflohen war und dessen Mitwirken bei Hochtief damals geheim gehalten wurde. Gemeinsam schufen diese Akteure in einer kurzen Bauzeit, die eine parallele Projektierung und Bauausführung erforderte, ein Gebäudeensemble, das in seiner Größe und Vielfalt einzigartig ist.
Die bebaute Grundfläche aller Geschosse des SEZ beträgt ca. 35.000 Quadratmeter. Das multifunktionale Gebäude bot einmal ca. 1.800 Quadratmeter Wasserfläche (25-m-, Sprung-, Kaskaden-, Wellen-, Strahlen-, Kinderplansch-, Versehrten- und Außenbecken mit Rutsche), Solarien, Saunen, eine Rollschuh- und Eislaufanlage (überdacht und offen), Sport- und Spielhallen (für Volleyball, Tischtennis, Basketball, Handball, Badminton u.a.), eine Turnhalle, einen Gymnastik- und Ballettsaal, einen Kraftraum, sportmedizinische Beratung, eine Bowlinganlage mit 16 Bahnen, Mehrzwecksäle, einen Konferenzraum, Zirkelräume, einen Kindersportgarten, eine Freizeitpromenade (Billiard, Spiel- und Lesebereich), verschiedene Cafés, Restaurants und Bars, Kioske, eine Personalkantine und einen Friseursalon.
Im großen Schwimmbadbereich wurden, neben dem Freizeit-Schwimmbetrieb, Schwimmkurse, volkssportliche Wettkämpfe, Meilenschwimmen, Tauchkurse und Veranstaltungen wie Neptunfeste angeboten. In der Sport- und Turnhalle wurden Sportkurse (z.B. Konditionierungstraining, Ballspiele, Gymnastik) angeboten. In den Veranstaltungsräumen gab es u.a. künstlerische Zirkel und Kurse, Veranstaltungen und Ausstellungen.
Themenabende wie „SEZ komplett“ mit dem Berliner Bade-Ball, bei denen an einem Wochenende alle Räume in eine Oase des Feierns, der Musik, Kultur und Begegnung verwandelt wurden, oder die „Funzel-Abende“ mit literarisch-musikalischem Programm waren legendär. Ebenso beliebt waren das „Mitternachtsschwimmen“ und die „Polardisko“. Weiterhin gab es die Veranstaltungsreihen „Lachpille“, „Erlesenes zur Nacht“, „Superwelle“, „Muskel-Studio“, „Mitternachts-Bowling“, „Rock’N Roll-Studio“, „Sport-Kirmes“ und viele weitere mehr. Auch Fernsehübertragungen von Veranstaltungen aus dem SEZ, wie „Medizin nach Noten“ oder Auftritte von Prominenete wie Helga Hahnemann, sind vielen Menschen bis heute in Erinnerung.
Die Gesamtfläche des SEZ-Geländes umfasst ca. 8 Hektar, davon waren ca. 5 Hektar Außenanlagen, die ursprünglich auch vielfältige Nutzungen boten (Außenbühne am Ballettsaal inkl. Zuschauertribüne, Liegewiese, Kinderspielplatz, Bereich für Brettspiele wie Bodenschach, Dame und Mühle, vier Kegelbahnen, Shuffleboard, Stockschießen, Boccia, eine Anlage zum Ablegen von Sportabzeichen inkl. Luftgewehrschießstand, Plätze für Fußball, Volleyball, Basketball, Federball, Minigolf und Tischtennis).
Baukünstlerische Bedeutung
In der Architekturwelt wird das SEZ als unverzichtbare Ikone der Nachkriegsmoderne sowie identitätsstiftendes baukulturelles Erbe der DDR und der Ost-Moderne angesehen. Das SEZ ist ein herausragendes Beispiel der berlinspezifischen „Organischen Architektur“ und des weltweit wiederentdeckten sogenannten „Brutalismus“, zwei Architekturströmungen, die in Berlin in den 1970er und 1980er Jahren besonders prägend waren.
Die Fassaden sind abwechslungsreich gegliedert und bereits hier findet sich das Farbkonzept, welches sich im Inneren fortsetzt, mit kräftigen Grundtönen in Rot-, Gelb- und Blau. Die Farbgebung der Gebäudeteile folgte den vier Jahreszeiten (Herbst und Winter im Bereich der Eislaufanlagen in der heutigen Landsberger Allee, Sommer im zentralen Bereich der Schwimmhalle, Frühling im Bereich der Bowling- und Sportanlage an der heutigen Danziger Straße). Die vielfältigen Formen und Materialien, die farbintensiven Oberflächen und die großzügige Verwendung von Glaselementen verleihen dem Bauwerk einen unverwechselbaren Charakter. So wird es etwa auch mit dem berühmten Centre Pompidou in Paris verglichen.
Ein baukünstlerisches Meisterwerk ist dem internationalen Architektenteam im Bereich der Wassernutzung gelungen. Hier ist eine außergewöhnliche Badelandschaft entstanden, die über mehrere Ebenen mit terrassierten Kaskadenbecken verbunden sind. Darüber verbinden zwei Brücken die unterschiedlichen Nutzungsbereiche. Im Inneren besticht der Badbereich durch eine komplexe Durchdringung unterschiedlicher Nutzungsbeziehungen. Die verspringende komplexe Dachkonstruktion schafft einen besonderen Erlebnisraum und ist durch die Oberbelichtung lichtdurchflutet.
Formal hat das Gebäude eine unverwechselbare Identität. Die Dreischiffigkeit ist deutlich wahrnehmbar und spiegelt perfekt die unterschiedlichen Nutzungsarten wider. Die offene Fassade an der Landsberger Allee umfasst die Eisbahn mit eingeschobenen Servicepavillons im Erdgeschoss und erhöhten Grünrabatten im Außenbereich, die Durchblicke in die imposante Eishalle erlauben.
Der sich schräg in die Straßenecke schiebende Baukörper besitzt durch seine expressiven Dreiecksfachwerkbinder aus Stahl eine markante Erscheinung, die über das Dach eine ungewöhnliche Fortsetzung findet. Der plastische Übergang der Binder von einer offen vertikalen in eine verglaste horizontale, mit einem markanten Sonnenschutz versehene Konstruktion, prägt das Ensemble im Bereich großer Stützweiten (Schwimm- und Sporthalle, z.T. Eisbahn) nach außen. Die effektvolle Kombination aus Oberlichtbändern mit der Tragwerkstruktur ist in dieser Form selten und schafft eine hohe räumliche Qualität im Inneren.
Die Bauwelt schreibt: „Nicht nur als Erinnerungsort der jüngeren DDR-Baugeschichte lohnt sich der Erhalt des Bauwerks. Angesichts der auf die Verantwortung eines bundesdeutschen Bauunternehmens und dessen „Schlüsselfertig-Abteilung“ zurückzuführende Genese des Baus darf das SEZ als absolutes Novum in der Architekturgeschichte beider deutscher Staaten gelten. Es ist der prominenteste Beleg für existierende planerische Netzwerke zwischen DDR und BRD, ein plausibles Modellvorhaben zur Auslotung von Aushandlungsstrategien, um Bauvorhaben auch an politisch hinderlichen Doktrinen vorbei realisieren zu können.“
Die Bedeutung des SEZ als Zeugnis der Ostmoderne ist durch den Verlust zahlreicher herausragender Gebäude der ehemaligen DDR, wie dem Palast der Republik, dem Restaurant Ahornblatt, dem Palasthotel, dem Hotel Berolina, dem Stadion der Weltjugend und der Fachhochschule in Potsdam zusätzlich gestiegen. Aktuell hat auch der Abriss des Jahnstadions begonnen.
Wissenschaftliche Bedeutung
Bereits zur Bauzeit des SEZ mitten in der Ölkrise wurden fortschrittliche technische Systeme integriert, die für die damalige Zeit zukunftsweisend waren. Besonders hervorzuheben ist das komplexe System der Kälte-Wärme-Kopplung. Die Kälteanlage zur Vereisung der Kunsteisbahnen im Winter diente im Sommer der Klimatisierung des Rollschuhbereichs. Die bei Kunsteisbetrieb und Klimakühlung anfallende Verflüssigungswärme wurde zum Erwärmen des Wassers in den Schwimmbecken und den Duschen genutzt. Während der nächtlichen Nichtnutzung wurde die Abwärme durch eine Wärmepumpe in die Fußbodenheizung übertragen. Alle Bereiche um die Schwimmbecken, der Imbissbereich, die Tribüne und die Böden der Umkleidebereiche waren mit einer Fußbodenheizung ausgestattet. Mit einer weiteren Wärmepumpenanlage wurde das Duschabwasser zur Wärmerückgewinnung verwendet. Auch die Verwendung von Ozon neben Chlor zur Wasseraufbereitung war damals ein Novum und trug zur hohen Wasserqualität bei. Die Wellen im Wellenbecken wurden durch den Wechsel des Luftdrucks auf die Wasseroberfläche erzeugt.
Die Konstruktion des Gebäudes bietet technisches Know-how auf höchstem Niveau. Die weit gespannte Stahlkonstruktion, welche die Schwimm-, Eis- und Sporthalle überspannt, hat durch Vollverzinkung und Korrosionsschutz eine hohe Langlebigkeit. Sie ermöglicht die Stützenfreiheit in den großen Hallen und sorgt nicht nur für Funktionalität, sondern auch für architektonische Eleganz. Die Beleuchtung von oben durch Satteldächer ermöglicht die blendfreie Ausleuchtung der Hallen. Durch die Verwendung von speziellen Wärmeschutzgläsern und den Einsatz von Sonnenschutzjalousien wird ein Wärmeverlust im Winter und ein Aufheizen im Sommer vermindert.
Städtebauliche Bedeutung
Gemeinsam mit dem Friesen-Stadion im Neuen Hain, zurückgebaut 1999, bildete das SEZ ein funktionelles Ensemble. Beide Elementen ergänzten den angrenzenden Volkspark Friedrichshain, ein beliebtes Naherholungsgebiet in den dicht besiedelten Stadtteilen Friedrichshain und Prenzlauer Berg. Die Architekten und Landschaftplaner nutzten das natürliche Gefälle des Geländes als Übergang hinunter zur Eisbahn sowie für die terrassierten Kaskadenbecken zwischen dem höher liegenden Wellenbad hinunter zu den Innen- und Außenbecken auf Parkniveau. Diese Anordnung ermöglichte das großzügige Raumvolumen im Inneren und zugleich eine zurückhaltende Gebäudehöhe auf Straßenebene. Gleichzeitig fügt sich die parkseitige Fassade mit seinen ausladenden Glasfassaden, die eine transparente Verbindung zwischen Innen- und Außenraum schaffen, harmonisch ein.
Vom Neuen Hain führte eine Sicht- und Wegeachse vom dortigen, heute ebenfalls nicht erhaltenen, „Friesenbad“ zum SEZ und verband so elegant Frei- und Hallenbad. Die ehemaligen Sportanlagen sind heute noch an den Wegen und dem vormaligen Eingangstor des Friesenbads ablesbar.
Das SEZ wurde städtebaulich perfekt in die Umgebung von Park, Sport im Freien, Sport im Innenraum, Verkehr und Wohnen eingebettet. Ein Abriss des SEZ zugunsten einer Neubau-Blockrandbebauung käme einer Abkopplung der Öffentlichkeit vom Volkspark Friedrichshain gleich.
Aktuelle Gefährdungslage
Gefährdet ist das SEZ durch die Ankündigung des Landes Berlin, vertreten durch den Berliner Senat, das Gebäude abreißen zu wollen. Im Bebauungsplan vom 13.12.2018 sind Wohnungen und eine Schule auf dem SEZ-Gelände vorgesehen.
Nach eigenen Angaben (u.a. auf der Podiumsdiskussion „SEZ – Abriss alternativlos?“ am 25.09.2024) kennen die politischen EntscheiderInnen den Erhaltungszustand des Gebäudes im Inneren bisher nicht.
Die Architektenkammer Berlin sowie zahlreiche weitere Expertinnen und Experten betonen den hohen baukulturellen Wert des SEZ. Trotz einiger Veränderungen durch den privaten Eigentümer in den letzten Jahren, ist die Grundstruktur des SEZ gut erhalten. Anfragen zur erneuten Prüfung der Denkmalwürdigkeit des SEZ beim Landesdenkmalamt wurden mit Verweis auf die erfolgte Prüfung im Jahr 2013 abgelehnt. Damals gelangte das LDA zur Einschätzung, dass sich aufgrund des schlechten Bauzustands und mangelnder Authentizität (Überlieferungszustand des Hauses und seines Innenausbaus, Überformungen) eine Eintragung in die Denkmalliste nicht rechtfertigen ließe. In seiner Antwort vom 14.06.2024 an den Gemeingut in Bürgerinnenhand e.V. schreibt das Landesdenkmalamt aber auch: „Unabhängig einer Eintragung in die Denkmalliste besitzt das zwischen 1977 und 1981 federführend von Günter Reiss aus dem Baukonzern ‚Hoch-Tief‘ entworfene und unter Mitwirkung des schwedischen Bauunternehmens AB Strängbetong ausgeführte Gebäude noch heute besondere Qualitäten und einen hohen Erinnerungswert. Für viele Menschen ist das SEZ ein Ort, der bis zu seiner Schließung mit positiven Erinnerungen verknüpft ist und als Teil der eigenen Geschichte wahrgenommen wird. Diese Aspekte weiterhin in die Diskussionen über die Zukunft des Standorts einzubringen und ein vielstimmig vorgetragenes öffentliches Interesse am Erhalt und an einer weiteren Nutzung des SEZ in die Debatte einzubringen, ist von hohem gesellschaftspolitischem Wert. Auch das Landesdenkmalamt setzt sich dafür ein, sorgsam mit überlieferten Bauzuständen und Ressourcen umzugehen und appelliert grundsätzlich im Sinne eines bewussten und pfleglichen Umgangs mit baukulturellen Überlieferungen, die Möglichkeiten einer weiteren Nutzung des Bestandes immer sorgfältig zu prüfen.“
Das der Bausenator am Abriss des SEZ festhält, machte er auf der Pressekonferenz am 01.10.2024 deutlich. Herr Gaebler sieht demnach keine Veranlassung zur Änderung des B-Plans. Nach seiner Aussage könnte geprüft werden, ob Elemente des SEZ in die neue Bebauung integriert werden können, das SEZ könne aber nicht in der jetzigen Form erhalten werden.
Auch im Oktober 2024 wurden, auf öffentlichen Druck hin, zumindest die im SEZ eingerichteten Zwischennutzungen durch Mietverträge legalisiert und es laufen weitere Verhandlung zur Nutzung.
Fazit
Das SEZ abzureißen, wäre für Berlin ein unermesslicher Verlust – weil es wichtiger Teil der Berliner Geschichte ist, eine Ikone der Ostmoderne, solide gebaut und gut erhalten mit visionärer Technik. Es ist zentral gelegen und wird dringend als Sport-, Kultur- und Erholungsfläche gebraucht.
Die Bevölkerung Berlins wächst seit 20 Jahren, die soziale Infrastruktur wächst aber nicht in gleichem Maße mit bzw. schrumpft sogar. Im Ergebnis besteht ein Mangel an Sport- und Erholungsstätten. In der Versorgung mit Schwimmbädern ist Berlin bundesweit Schlusslicht, der Ortsteil Friedrichshain mit mehr als 140.000 EinwohnerInnen hat kein einziges Schwimmbad mehr. Zudem hat Berlin seit der Schließung des Blubs und des Schwimmbadbereichs im SEZ kein einziges familienfreundliches Erlebnisbad mehr. Aktuell investieren die Berliner Bäderbetriebe in die Sanierung und Neuerrichtung von Schwimmbädern. So sollen u.a. zwei Kombibäder (in den Ortsteilen Mariendorf und Pankow) neu gebaut werden. Man könnte das gut erhaltene SEZ ebenso in die Investitionsplanung aufnehmen und damit viel graue Energie erhalten. Dazu passt, dass der Senat sich in seiner Absichtserklärung zu einer möglichen Olympiabewerbung gemeinsam mit anderen Städten verpflichtet hat, vorhandene Sportstätten zu modernisieren und dem Breiten- und Schulsport zur Verfügung zu stellen. Das SEZ war viel mehr als ein Schwimmbad und Erlebnisbad, es bot vielfältige Nutzungsmöglichkeiten für Sport, Kultur und Erholung und könnte auch wieder dazu beitragen, die Stadt lebenswerter zu machen.
Im Beschluss der BVV Friedrichshain-Kreuzberg vom 29.05.2024 heißt es:
„Einem Komplettabriss des ehemaligen SEZ ist aus städtebaulichen, baukulturellen sowie sozialen Gründen entschieden entgegenzutreten. In einer wachsenden Stadt stellt das Gelände mit seiner Bestandsbebauung eine der letzten großen Flächen für soziale Infrastruktur im Kiez dar. Es bietet großzügige Räume, die durch ihre langjährige, alltagsnahe Nutzung bei vielen Menschen bereits positiv besetzt sind und auch in Zukunft beitragen können, zu einem guten Leben in der Stadt, das mehr umfasst als das reine Wohnen. Abschließend ist festzuhalten, dass ein Vorgehen, das den gesamten Baubestand zur Disposition stellt, ohne die Möglichkeiten einer ökologisch nachhaltigen Sanierung eingehend zu prüfen, besonders in Zeiten einer dringend erforderlichen ressourcenschonenden Klimapolitik, nicht mehr vermittelbar ist. Konzepte einer Weiternutzung nach behutsamer Bestandserneuerung dürfen nicht bereits im Vorhinein zugunsten eines CO2-intensiven Komplettabrisses mit anschließendem Neubau ausgeschlossen werden.“
Durch die funktionale, historische, künstlerische, wissenschaftliche und städtebauliche Bedeutung handelt es sich beim SEZ auch ohne Unterschutzstellung um ein Bauwerk, das einen hohen Denkmalwert besitzt und erhalten werden sollte.
Text: Susanne Lorenz, Carl Waßmuth, Carsten Joost (Bürgerinitiative „SEZ für alle“)
Redaktion: Corinna Tell
- Bürgerinitiative „SEZ für alle!“
mit der Petition „Das SEZ sanieren und als Sport- und Freizeitfläche für alle wiederöffnen!“ - Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V.
mit Unterschriftenliste - Offener Brrief: Zum Erhalt des vom Abriss bedrohten SEZ (Architektenkammer Berlin, 07.02.2024)
- „Umdenken statt Abreißen“ (Pressemitteilung der Architektenkammer Berlin, 28.03.2024)
- Bebauungsplan 2-43 für das Grundstück Landsberger Allee 77 (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, 18.12.2018)
- Begründung zum Bebauungsplan 2-43 für das Grundstück Landsberger Allee 77 (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, 13.12.2018)
- Video der „Podiumsdiskussion: SEZ – Abriss alternativlos?“ vom 26.09.2024
- Video der Pressekonferenz der Senatskanzlei Berlin am 01.10.2024
- Appell an den Berliner Senat „Keine Entscheidung zur Zukunft des SEZ-Areals ohne offenen Wettbewerb!“ (Architects for Future Berlin, 23.03.2024)
- Unterschreiben und Vorbeikommen fürs SEZ (moderneREGIONAL, 19.03.2024)
- Eintrag „Sport und Erholungszentrum an der Landsberger Allee“ (Rote Liste bedrohter Bauten, Anlagen und Kulturgüter in Berlin, KulturerbeNetz.Berlin)