Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen: Stellungnahme zur Neufassung
Stellungnahme des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker e.V.
zur Neufassung des Denkmalschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen (2. Verbändeanhörung)
09.04.2021
An die Ministerin Ina Scharrenbach, Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW
Sehr geehrte Frau Ministerin!
Wir danken für die Einladung zur 2. Verbändeanhörung zu einer Neufassung des Denkmalschutzgesetzes NRW und nehmen als Verband Deutscher Kunsthistoriker Stellung zu der Vorlage.
Der 1948 gegründete Verband Deutscher Kunsthistoriker vertritt als Berufsverband die Interessen der in Deutschland arbeitenden Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker. Zu deren Aufgabengebieten gehört traditionell die Denkmalpflege, und zwar sowohl in der fachlichen Theorie an den Hochschulen als auch in der Praxis von Denkmalschutz und Denkmalpflege in den Behörden und Ämtern sowie in weiteren Berufsbildern. Außerdem setzt sich der Verband Deutscher Kunsthistoriker als Fachverband für Werke der Kunst – hier beispielsweise für Werke der Bau-, Garten- oder Stadtbaukunst – ein und fördert deren optimale Erhaltung, wissenschaftliche Erforschung und nachhaltige Vermittlung.
Aus dieser doppelten Aufgabenstellung des Verbandes ergeben sich berufsfachliche und denkmalfachliche Einwände gegen die vorgelegte Neufassung des Gesetzes.
Das Land Nordrhein-Westfalen profitiert von einer hohen Dichte an Hochschulen, an denen Fächer wie Kunstgeschichte, Stadtbaugeschichte, Architekturgeschichte, Architekturtheorie und andere professionshalber vertreten sind. Diese Hochschulen sind landes- und deutschlandweit und sogar international anerkannte und gefragte Orte der Forschung und der Lehre.
Studierende werden an diesen Hochschulen auf einem überaus hohen fachlichen Niveau ausgebildet. Grundständige und konsekutive Studiengänge an den Hochschulen des Landes NRW genießen einen exzellenten Ruf. Studierende, die sich für eine berufsfachliche Vertiefung im Bereich Denkmalschutz und Denkmalpflege entscheiden, müssen dies derzeit allerdings außerhalb von NRW tun, beispielsweise an der BTU Cottbus-Senftenberg oder der Universität Bamberg, wo überdies ein Kompetenzzentrum für Denkmalpflege eingerichtet wurde.
Neben Forschung und Lehre an den Hochschulen sind für ausgebildete Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker nicht zuletzt die Unteren Denkmalbehörden und die Denkmalfachämter der Landschaftsverbände in NRW attraktive Arbeitgeber. Dort ist neben der Architektur die Kunstgeschichte eine tragende Säule für die Fachexpertise.
Eine wesentliche Quelle für diese Attraktivität von NRW als Arbeitsplatz für Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker sowohl in der Ausbildung als auch in der Praxis von Denkmalschutz und Denkmalpflege sehen wir in dem hohen Stellenwert, den das bestehende Gesetz von 1980 der Fachlichkeit zuweist: Es bindet sie an entscheidenden Stellen in das Unterschutzstellungsprocedere und in die Begleitung der Pflegemaßnahmen ein.
Die Neufassung des Gesetzes würde diesen entscheidenden Transmissionsriemen von Fachexpertise in die Praxis unterbrechen. Das manifestiert sich insbesondere an zwei Punkten der Vorlage:
- Der Artikel 23 (4) des Entwurfs lässt das Recht der Landschaftsverbände bzw. der dort angesiedelten Denkmalfachämter auf Eintragung eines Denkmals vermissen. Wir sehen dieses im bisherigen Artikel 3 (2) verankerte Recht als essentiell an und lehnen seine Streichung ab. Das Antragsrecht der Denkmalfachämter ist als wichtiger Beitrag zur Sicherung der praktischen Umsetzung von Fachwissen zwingend beizubehalten.
- Das in Artikel 24 des Entwurfs dargestellte Eintragungsverfahren beinhaltet ein weiteres Moment der Entfachlichung, da die bisherige Benehmensherstellung zwischen der Unteren bzw. Oberen Denkmalbehörde und dem Denkmalfachamt zu einer Anhörung abgeschwächt wird. Damit ist den Unteren bzw. Oberen Denkmalbehörden die Möglichkeit gegeben, ohne Weiteres von der Expertise des Fachamtes abzuweichen, statt dass wie bisher ein von beiden Seiten getragener Konsens herzustellen ist. Wir sind der Überzeugung, dass die Benehmensherstellung die verbindlichere und geeignete Form ist, wissenschaftlichen Ansprüchen im Eintragungsprozess Genüge zu tun und den Sachverstand der Fachämter bei allen Entscheidungen der Denkmalbehörden optimal und zielgerichtet einzusetzen.
Sollte also das Antragsrecht der Fachämter gestrichen werden und die Benehmensherstellung entfallen, droht eine mehrfache Schwächung von Denkmalpflege und Denkmalschutz als Berufsbilder in NRW.
Ohne die – ansonsten überall geforderte! – verbindlich geregelte enge Zusammenführung von akademischer Wissenschaft und beruflicher Umsetzung büßt die institutionelle Denkmalpflege an Qualität und Glaubwürdigkeit ein, die potentiellen Arbeitsplätze für in NRW oder außerhalb qualifiziert ausgebildete Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker verlieren an Attraktivität. Gerade die derzeit gegebene Möglichkeit, aus dem Fachwissen heraus Eintragungsprozesse einzuleiten und bis zu einem tragfähigen Ergebnis mitzusteuern, würde fehlen.
Die beiden vorgesehenen Änderungen irritieren uns auch vor dem Hintergrund der Frage nach der Abstimmung der Ressorts miteinander und der Auswirkungen auf den Kultur- und Wissenschaftsstandort NRW. Eine gesetzlich geregelte Herausnahme von Wissenschaftlichkeit aus der Praxis von Denkmalschutz und Denkmalpflege kann aus unserer Sicht nicht im Interesse des für Kultur und Wissenschaft zuständigen Ressorts liegen. Wir befürchten, dass die wechselseitige positive Beeinflussung der akademischen Forschung und Ausbildung mit der Berufspraxis in Ämtern und Behörden als Standortvorteil für NRW verlorengeht, wenn die Berufspraxis in ihrer Wirksamkeit derartig einschränkt und benachteiligt wird.
Die bisher gemachten Einwände berühren neben berufsfachlichen auch denkmalfachliche Punkte. Als wesentlichen weiteren denkmalfachlichen Einwand führen wir die im neuen Entwurf beibehaltene Privilegierung fachfremder Belange wie Wohnungsbau, Klima, Erneuerbare Energien und Barrierefreiheit an und wiederholen damit unsere Position von 2020. Diese Belange gehören aus unserer Sicht nicht in das Denkmalschutzgesetz, sondern werden durch andere Gesetze und Verordnung abgedeckt.
Die genannten Belange haben unzweifelhaft einen hohen gesellschaftlichen und ökologischen Stellenwert. Sie sind, nicht nur für NRW, wichtige Zukunftsthemen. Sie werden ihre volle Wirkung aber gerade dann entfalten, wenn sie so bald und so wirkungsvoll wie möglich am nicht denkmalgeschützten Gebäudebestand berücksichtigt werden und wenn sie insbesondere für Neubauvorhaben Anwendung finden. Es handelt sich um Kriterien für die Baupraxis, nicht jedoch für eine Anwendung am Denkmalbestand, dessen Anteil in NRW auf rund 2–3 % des Bauvolumens geschätzt wird.
Daher sollten aus denkmalfachlicher Sicht jeweils der letzte Satz von Artikel 9 (3) und von Artikel 13 (3) der Vorlage gestrichen werden, womit im Übrigen der Kommentar (vgl. S. 46 der Vorlage) konsequent umgesetzt wäre. Der Aspekt der Nutzung und Nutzbarkeit von Denkmälern, den auch die Vorlage – wie schon das bestehende Gesetz – erfreulicherweise zentral anspricht, ist bereits eine ausreichende Verankerung dieser Belange. Zudem sichert das Ausgehen vom Anspruch auf Nutzung und Nutzbarkeit, dass eben keine Festlegung auf eine notwendigerweise unvollständige Auswahl politischer Ziele und gesellschaftlicher Zielvorstellungen erfolgt, sondern dass stets eine Aktualisierung möglich ist.
Sehr geehrte Frau Ministerin, wir möchten nicht versäumen, positive Punkte der Vorlage zu würdigen. Es ist beispielsweise sehr erfreulich, dass die Gartendenkmäler verstärkt in den Fokus rücken, dass die UNESCO-Welterbestätten ausdrücklich erwähnt und behandelt werden und dass einige 2020 kritisch erhobene Forderungen berücksichtigt wurden (so die Einsetzung eines Landesdenkmalrates und der Verzicht auf pflichtmäßige Anwendung moderner Bauweisen und -produkte).
Dennoch müssen wir festhalten, dass aus unserer Sicht die aus den genannten Kritikpunkten drohende Gefährdung für die Denkmäler, für die Institutionen von Denkmalschutz und Denkmalpflege und letztlich für den Kultur- und Wissenschaftsstandort NRW überwiegen. Da es sich um fundamentale Punkte handelt, empfehlen wir eine grundlegende Neuabstimmung über die Vorgehensweise, zumindest aber eine erneute Überarbeitung des Entwurfs. Der Verband Deutscher Kunsthistoriker steht Ihnen gerne bei allen Fragen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Prof. Dr. Kilian Heck
(Erster Vorsitzender)
gez.
Prof. Dr. Iris Wenderholm
(Zweite Vorsitzende)
gez.
Dr. Martin Bredenbeck
(Repräsentant der Berufsgruppe Denkmalpflege)
gez.
Prof. Dr. Johannes Grave
(Repräsentant der Berufsgruppe Hochschulen und Forschungsinstitute)