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Rede zur Eröffnung des
37. Deutschen Kongresses für Kunstgeschichte

Rede unserer Ersten Vorsitzenden Kerstin Thomas, gehalten im Rahmen der Eröffnung des Kongresses an der FAU Erlangen-Nürnberg im Auditorium maximum in Erlangen am 13. März 2024

 

Foto von Kerstin Thomas im Rahmen der Kongresseröffnung in Erlangen

Prof. Dr. Kerstin Thomas bei der Kongress-Eröffnung. Foto: Tatjana Sperling

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, Sie heute zur Eröffnung des 37. Deutschen Kongresses für Kunstgeschichte begrüßen zu können, der erstmalig unter diesem neuen Namen, unter neuem Vorsitz und erstmalig in Erlangen stattfindet. Die Schirmherrschaft hat dankenswerterweise der Ministerpräsident des Freistaates Bayern, Dr. Markus Söder übernommen. Lieber Herr Präsident Prof. Dr. Joachim Hornegger, wir danken Ihnen sehr für Ihre Gastfreundschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, ebenso wie dem hiesigen Institut für Kunstgeschichte, Professorin Dr. Christina Strunck, die das diesjährige Motto ersonnen und das Programm mit großem Engagement gemeinsam mit dem Verband gestaltet hat. Ein großer Dank gebührt auch dem Kooperationspartner, dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, in Person seines Generaldirektors, Herrn Prof. Dr. Daniel Hess.

Die zweijährig abgehaltenen Kongresse bieten der Fachcommunity die Möglichkeit zum direkten wissenschaftlichen und persönlichen Austausch, über die Grenzen der Spezialisierung, die unterschiedlichen Berufsfelder und die Karrierestufen hinweg. Diese gemeinsame Diskussion ist von zentraler Bedeutung für die Verständigung einer wissenschaftlichen Disziplin. Angetrieben ist sie nicht allein von dem Wunsch nach der Selbstverortung des Fachs, sondern immer auch von der Frage nach dem Standort der Disziplin in der Vermittlung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Dies gilt nicht allein für unsere Kolleginnen und Kollegen in Museum, Denkmalpflege und freien Berufen sowie in der Lehrerausbildung, sondern auch für die Forschungsfragen an Universitäten und Forschungsinstituten und in der universitären Lehre.

Wie notwendig es ist, niemals nachzulassen in der Anstrengung, die es mitunter bedeutet, sich persönlich auszutauschen, zu reden und zu streiten, zeigt sich in Kultur und Gesellschaft gerade in jüngster Zeit wieder, angesichts der längst überwunden geglaubten antisemitischen Anfeindungen auch und ausgerechnet aus dem Bereich von Kunst, Kultur und Wissenschaft, den wir als frei von Antisemitismus, Judenfeindlichkeit und jede Form der Ausgrenzung angesehen haben. Dies muss jeden schockieren und dies trifft auch die Kunstgeschichte ins Herz. Verdankt doch unsere Disziplin wesentliche methodische Grundlagen jüdischen Wissenschaftlern, wie Aby Warburg und Erwin Panofsky. Jüdische Kunsthistoriker in Museen und Kunsthandel, die wie jene und zahlreiche andere emigrieren mussten, haben ebenfalls unser Fach befördert und auch durch ihr Schicksal zu dessen Internationalisierung beigetragen. Ein anderes, lokales Beispiel aus der Wissenschaft, wenn auch nicht der Kunstwissenschaft, bietet die jüdische Mathematikerin Emmy Noether, Namenspatin eines ausgezeichneten Nachwuchsprogramms der DFG und gebürtige Erlangerin, die trotz Habilitation als Frau keine ordentliche Professur erhielt, 1933 in die USA emigrieren musste und die sich u.a. durch ihre Forschung zum „topologischen Raum“ einen Namen machte, indem sie geometrische Strukturen untersuchte, die trotz Verbiegen, Verzerren und Verdrillen stetig erhalten bleiben. Ein schönes Bild.

Wissenschaft ist verankert in der Gesellschaft, entwickelt aus dieser ihre Fragen und verhandelt ihre Gegenstandsbereiche mit Blick auf diese. Auch die Kunstwissenschaft stellt deshalb grundsätzliche auf soziale und politische Herausforderungen bezogene Fragen und trägt gesellschaftliche Verantwortung. Mit dem Thema von Bild und Raum wendet sich der diesjährige Deutsche Kongress für Kunstgeschichte zentralen Untersuchungsbereichen unserer Disziplin zu, die zugleich fundamentale Kategorien menschlicher Kultur und Wahrnehmung sind. So gehören die räumlichen Bezüge zu den ersten Erfahrungen des Menschen, zu denen von Selbstverortung und sozialen Bindungen. Durch räumliche Situierungen werden Grenzen gezogen und geöffnet, ohne die persönliche und gesellschaftliche Verständigung nicht möglich wäre. Räume sind voller Bedeutung: Als Lebensräume, Orte von Macht, als geometrisch konstruierte und zeichenhaft ausgewiesene Orte, als Erinnerungsorte. Damit ist das räumliche Dispositiv ein zutiefst menschliches, soziales, und politisches. Der Stuttgarter Architekturtheoretiker Stephan Trüby verwendet den Begriff „Rechte Räume“ für durch die politische Rechte vereinnahmte Stadträume, die gegen einen heterogenen Öffentlichkeitsraum gewendet sind. Der politische Raum als Diskursraum versteht sich demgegenüber als offener Raum. Zu lernen ist immer wieder, dass man aber auch im Zeichen des Offenen vehemente Ausgrenzungen vornehmen kann.

Wenn aus Räumen Bilder werden, werden Lebenszusammenhänge zu visuellen Zeichen, werden sie fixiert und zugleich zum Sprechen gebracht. Unsere Disziplin hat insbesondere in der politisch geschärften Neuausrichtung der 60er und 70er Jahre ihre Verantwortung darin erkannt, diese Bedeutungen zu analysieren, als zugleich ästhetischen wie zutiefst sozialen und politischen Prozess: stellt doch jedes Raumbild auch eine Raumordnung dar, jede Darlegung eine Festlegung, jede Raumbegrenzung eine Ausgrenzung. Bilder und Räume bilden eine Einheit, sie markieren aber auch eine Spannung, wie sich auch angesichts der musealen und denkmalpflegerischen Debatte um Besetzung und Umnutzung von Räumen zeigt. Nirgendwo wird dieser Prozess so deutlich sichtbar, wie in der Frage nach dem Umgang mit NS-Architektur, die angesichts der geographischen Nähe des Tagungsortes zum Reichsparteitagsgelände der Nationalsozialisten in Nürnberg auf unserem Kongress intensiv diskutiert werden wird.

Das Motto des Kongresses „Bild und Raum“ umfasst diese Bedeutungsdimensionen und schärft sie im Blick auf kunsthistorische Theorie und Praxis erneut, indem gesellschaftliche und bildhafte Räume und die mit ihnen verbundenen kulturellen Muster und Handlungsaufforderungen erforscht werden. Wir freuen uns, dass wir ausgezeichnete Kolleginnen und Kollegen gewinnen konnten, die dieses Programm mit analytischem Blick und kritischer Haltung füllen werden, wir freuen uns auch ganz besonders, dass dieses Mal der tschechische Verband für Kunstgeschichte der Einladung des Deutschen Verbandes gefolgt ist und eine Sektion zusammengestellt hat – hier möchte ich sehr herzlich unseren Kollegen, Herrn Dr. Martin Madl von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften begrüßen. Die zahlreichen Fachbesucher, Kolleginnen und Kollegen, Studierende, werden den Kongress hoffentlich durch intensive Diskussionen und erfreuliche Begegnungen beleben. Mein Dank gilt den Gastgebern, den Koordinatorinnen, den studentischen Hilfskräften, die diesen Kongress organisatorisch stemmen, den Förderern, der DFG, der Gerda Henkel Stiftung und privaten Förderern, den Kolleginnen und Kollegen, die ein reichhaltiges Rahmenprogramm anbieten, den Verlagskolleginnen und -kollegen, die uns die jüngsten kunstwissenschaftlichen Publikationen vorstellen und natürlich denen, die hier in den kommenden Tagen vortragen.

Einen besonderen Dank möchte ich in unser aller Namen der Geschäftsstelle des Verbandes aussprechen, dem Geschäftsführer Dr. Marcello Gaeta und der Referentin in der Geschäftsführung Dr. Cornelia Kirschbaum, die wieder einmal die Fäden in der Hand halten und in den letzten zwei Jahre hervorragende Arbeit geleistet haben, damit wir alle in Erlangen den Ort und den Raum zur Auseinandersetzung haben und erneut die wissenschaftliche und gesellschaftliche Relevanz von Kunstgeschichte unter Beweis stellen können. Gute Erkenntnisse und viel Vergnügen dabei!

 

Es gilt das gesprochene Wort.