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Stellungnahme zum Diskussions­entwurf für ein Zweites Gesetz zur Anpassung des Urheber­rechts an den digitalen Binnen­markt

Stellungnahme des Verbandes Deutscher Kunst­historiker e.V. zum Diskussions­entwurf des Bundes­ministeriums der Justiz und für Verbraucher­schutz für ein Zweites Gesetz zur Anpassung des Urheber­rechts an die Erforder­nisse des digitalen Binnen­markts (Entwurf vom 24. Juni 2020)

24.07.2020
An das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V. begrüßt den vorliegenden Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein Zweites Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts und dankt für die Möglichkeit einer Stellungnahme.

Zu §§ 32ff. UrhG-E: Urhebervertragsrecht

Für das Fach Kunstgeschichte gilt wie für die meisten Kultur- und Geisteswissenschaften, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ihre Publikationen weit überwiegend keine Ho­norare erhalten und nur selten an Verkaufserlösen beteiligt werden. Die Stärkung der Rechtsstellung der Urheberinnen und Urheber, die mit der Reform des Urhebervertragsrechts beabsichtigt ist, ist deshalb aus Sicht des Verbands Deutscher Kunsthistoriker e.V. zu begrü­ßen.

Zu § 51a UrhG-E: Karikatur, Parodie und Pastiche

Bei der Einführung des § 51a halten wir es für geboten, neben Karikaturen und Parodien auch – wie im Diskussionsentwurf vorgesehen – Pastiches zu berücksichtigen. Mit dieser Regelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass zahlreiche kreative Praktiken im kulturellen Sektor mit Verfahren des Pastiches arbeiten. Eine Beschränkung allein auf Karikaturen und Parodien wäre gerade mit Blick auf Praktiken in der zeitgenössischen Kunst anachronistisch.

Zu § 51 UrhG: Zitate

Der Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V. hält es weiterhin für geboten, Mängel der der­zei­ti­gen Fassung von § 51a UrhG im Zuge des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Ur­heber­rechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes zu beheben. Die Formulierung „Er­läu­terung des Inhalts“ in § 51 Satz 2 Nummer 1 ist in mehrfacher Hinsicht unscharf: Weder ist ex­pliziert, ob der Inhalt des zitierenden oder des zitierten Werkes gemeint ist, noch ist er­sichtlich, woran sich bemisst, was als „Erläuterung“ gelten kann. Die unscharfe Formulierung kann so verstanden werden, dass es bei Bildzitaten dezidiert textlicher Aus­füh­rungen be­dürf­te, so dass ein vorrangig visuelles Argumentieren durch Gegenüber­stel­lungen oder Ver­glei­che und ohne ausführliche textliche Explikation, wie es in der kunsthis­tori­schen Forschung mit guten Gründen verbreitet ist, nicht als Zitatzweck gelten würde. Unserer Erfahrung nach hat die unpräzise Fassung von § 51 UrhG Rechtsunsicherheit zur Folge; sie trägt dazu bei, dass von den Möglichkeiten, die mit dem Paragraphen eingeräumt werden, deutlich weniger Gebrauch gemacht wird, als eigentlich intendiert ist. Die bestehenden Unklarheiten lassen sich beheben, wenn § 51 Satz 2 Nummer 1 – einen Vorschlag der Forschungsgruppe „Ethik des Kopierens“ am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) vom 24. Februar 2017 aufgreifend – fol­gen­der­maßen umformuliert würde:

„1. einzelne Werke oder Teile von Werken nach deren Veröffentlichung für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Lehre zitiert werden“.

Im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes sollte unseres Erachtens insofern berechtigterweise eine präzisere For­mulierung von § 51 UrhG angestrebt werden.

Zu § 61d UrhG-E / §§ 51ff. VGG-E: Regelungen zu nicht verfügbaren Werken

Die geplanten Neuregelungen für nicht verfügbare Werke tragen dazu bei, relevante Be­stände für die Forschung erschließbar und auffindbar zu machen. Sie stellen daher für die Museen, Archive und andere Kulturerbe-Einrichtungen einen großen Fortschritt dar. Von der verbesserten Erschließung und Verfügbarkeit dieser Bestände profitieren nicht zuletzt die gesamten Geistes- und Kulturwissenschaften, denen unveröffentlichte Bildkonvolute sowie nicht mehr verfügbare Fachliteratur (vgl. § 51c VGG-E) zugänglich gemacht werden können. Der Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V. begrüßt deshalb die geplante Neuregelung.

Zu § 68 UrhG-E: Vervielfältigungen gemeinfreier visueller Werke

Für die Arbeit von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker in Museen, Universitäten, For­schungsinstituten, der Denkmalpflege und zahlreichen freien Berufen ist vor allem die ge­plante Einführung des neuen § 68 UrhG von erheblicher Bedeutung. Der Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V. begrüßt nachdrücklich den Entwurf dieses Paragraphen in der vorge­schlagenen Fassung, die aus guten Gründen keine Eingrenzung auf bestimmte Formen der Vervielfältigung oder auf bestimmte visuelle Werke vornimmt (etwa eine Beschränkung der Anwendung auf zweidimensionale Werke). Wir gehen davon aus, dass bei der Differenzierung zwischen Vervielfältigungen (z.B. Lichtbildern) einerseits und eigenständigen urheberrecht­lich geschützten Werken (z.B. Lichtbildwerken) andererseits die Maßstäbe der bisherigen Rechtsprechung angelegt werden und für den Werkstatus klar identifizierbare, über die Wie­dergabe des gegenständlichen Motivs hinausgehende Eigenschaften vorliegen müssen. Der für die kunsthistorische Praxis so eminent wichtige Umgang mit routinemäßig erstellten, ori­ginalgetreuen Vervielfältigungen gemeinfreier visueller Werke dürfte daher nach unserer Einschätzung durch den neuen § 68 UrhG erheblich gefördert werden. Die vorgeschlagene Regelung verspricht auf diese Weise – ganz im Sinne der Zielsetzung der EU-Richtlinie (ErWG 53 DSM-RL) – dazu beizutragen, dass die Beschäftigung mit dem kulturellen Erbe spürbar intensiviert und vertieft werden kann.

Ausdrücklich begrüßenswert erscheint uns die Entscheidung, mit dem neuen § 68 die Nut­zung von Vervielfältigungen aller gemeinfreien visuellen Werke und nicht nur von Kunstwer­ken im engeren Sinne zu regeln. Eine Beschränkung allein auf Werke der bildenden Kunst würde eine rechtssichere Anwendung des § 68 aufgrund von Unklarheiten in der Abgren­zung zwischen Werken der bildenden Kunst und sonstigen visuellen Werken deutlich er­schweren. Zudem würden bei einer Verengung ausschließlich auf Werke der bildenden Kunst große und bedeutende Teile des kulturellen Erbes nicht von der Neuregelung erfasst werden. Nachdrücklich unterstützen möchten wir die Erwägungen des Diskussionsentwurfs (S. 69f.), mit denen begründet wird, warum eine einheitliche Anwendung des neuen § 68 UrhG auch auf Bestandsfälle unabdingbar ist.

Der Zielsetzung des Artikels 14 der maßgeblichen EU-Richtlinie, die ausdrücklich darauf ab­hebt, dass „die Verbreitung von originalgetreuen Vervielfältigungen gemeinfreier Werke zum Zugang zur Kultur und ihrer Förderung und zum Zugang zum kulturellen Erbe“ beiträgt (ErWG 53 DSM-RL), sollte auch durch die Klarstellung Rechnung getragen werden, dass das Eigentum an einem gemeinfreien Werk kein urheberrechtliches oder dem Urheberrecht ver­wandtes Schutzrecht an Vervielfältigungen dieses Werks begründet. Der § 68 UrhG sollte daher um den folgenden Satz ergänzt werden:

„Aus dem Eigentum an einem gemeinfreien visuellen Werk ergeben sich keine Rechte im Sinne des Urheberrechtes oder verwandter Schutzrechte an Vervielfäl­tigungen dieses Werks.“

 

Mit freundlichen Grüßen

für den Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V.
gez.

Prof. Dr. Johannes Grave
(Repräsentant der Berufsgruppe
Hochschulen und Forschungsinstitute)
Prof. Dr. Kilian Heck
(Erster Vorsitzender)

Die Stellungnahme ist ebenfalls abrufbar auf der Seite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.