Atelier- und Gemeinschaftshaus in der Düsseldorfer Schlageterstadt

Eintrag veröffentlicht am 02.02.2021

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Atelier- und Gemeinschaftshaus in der Düsseldorfer Schlageterstadt
Franz-Jürgens-Straße 12
40474 Düsseldorf

Erbaut: 1936/37
Entwurf: Hans Junghanns (19061976)
Geschütztes Baudenkmal:  ja, seit 1993

Status: drohende Gefährdung

Unterstützer: TU Dortmund, Lehrstuhl Geschichte und Theorie der Architektur (Prof. Dr. Wolfgang Sonne); Baukunstarchiv NRW; Bund Deutscher Architekten – BDA Düsseldorf e.V.

Das ab 1936 für die 1937 durchgeführte Reichsausstellung „Schaffendes Volk“ errichtete Gebäude sollte dauerhaft das Wohnen im nationalsozialistischen Staat demonstrieren, mit einem zusätzlichen Fokus auf Düsseldorf als Kunststadt. Das wichtige historische Zeugnis ist in sanierungsbedürftigem Zustand und durch einen neuen Bebauungsplan zusätzlich gefährdet.

Der Innenhof heute: Venus im Kampf gegen wucherndes Grün. Foto: Ute Reuschenberg

Das „Atelier- und Gemeinschaftshaus für junge, noch unverheiratete Maler und Bildhauer“ (vgl. Herbert Hoffmann, ‚Schaffendes Volk‘. Reichsausstellung Düsseldorf 1937, in: Moderne Bauformen, 36. Jg. 1937, S.337–369, hier S. 360) ist 1936 bis 1937 im Auftrag der Stadt Düsseldorf nach Plänen des Düsseldorfer Architekten Hans Junghanns (1906–1976) im Stadtteil Golzheim errichtet worden. Gemeinsam mit zehn Einfamilienhäusern mit Ateliers für verheiratete Künstler – realisiert durch andere Architekten – bildet es noch heute einen zentralen Bereich der einstigen „Schlageterstadt“.

Das Atelierhaus als Teil der „Schlageterstadt“ in der Reichsausstellung „Schaffendes Volk“ von 1937
„Schlageterstadt“ hieß die heute „Siedlung Golzheim“ oder gar „weiße Siedlung“ genannte Mustersiedlung zur Zeit ihrer Entstehung ab 1936, als sie „die schöpferische Gestaltung des Lebensraumes unseres deutschen Volkes“ (vgl. Peter Grund, Die Gestaltung der Schlageterstadt, in: Deutsche Bauzeitung, Juni 1937, S. 74–81, hier S. 75) im Rahmen der im Mai 1937 eröffneten Reichsausstellung „Schaffendes Volk“ demonstrieren sollte. Von der damaligen Ausstellung haben sich – neben der streng axial gegliederten Parkanlage, dem heutigen denkmalgeschützten Nordpark – gleich zwei Mustersiedlungen erhalten: die Wilhelm-Gustloff-Siedlung des Reichsheimstättenamtes für Kleinsiedler (heute Nordparksiedlung) und die „Schlageterstadt“ für gehobene Ansprüche.

Ein Bild der Verwahrlosung: Notdürftige Reparaturen machen es nicht besser. Foto: Ute Reuschenberg

Da die 1914 bis 1921 auf dem späteren Ausstellungsgelände errichtete Neue Kunstakademie (als Erweiterung des Ursprungsbaus in der Altstadt, Architekt Karl Wach) den NS-Planungen weichen musste, sollte den dort lebenden Künstlern Ersatz geboten werden: Der mit der städtebaulichen Planung des Ausstellungsgeländes betraute Architekt Peter Grund wies dem „Ersatz“, dem Atelier- und Gemeinschaftshaus von Hans Junghanns, dabei sogar einen zentralen Platz am „Dorfanger“ unweit des eigenen Wohnhauses zu – als damaliger Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie sicherlich keine zufällige Wahl, sondern ein traditionsbewusstes Signal in Richtung Kunststadt Düsseldorf.

Das Atelierhaus – ein kontemplativer Ort der Künstlergemeinschaft
Junghanns hat sein Atelierhaus auf winkelförmigem Grundriss konzipiert und durch eine versetzt und über einen überdachten Säulengang anschließende Ausstellungs- und Gemeinschaftshalle zu einem angenäherten U-Form komplettiert. Dabei umschließt der Komplex durch einen weiteren Säulengang kreuzgangartig einen kontemplativen Innenhof mit Wasserbassin und Großer Venus des damals dort lebenden Bildhauers Robert Ittermann. Der Winkelbau beherbergt 14 Ateliers mit einem Wohn- und Schlafraum auf der Galerie, wobei die Atelierfenster der Maler nach Norden, die der Bildhauer nach Osten zum Innenhof weisen.

Schadensbild der markanten Holzsäulen. Foto: Ute Reuschenberg

In Materialität und Kubatur fügt sich der Komplex zwar in den streng reglementierten Gestaltungskanon der Siedlung ein, denn im Sinne des Heimatschutzgedankens knüpfte man durch geschlämmte Backsteinmauern, naturbelassenes, dunkel getöntes Holz oder dunkel eingedeckte Pfannendächer an die hiesige niederrheinische Bauweise an. Jedoch nahm sich Junghanns auch künstlerische Freiheiten heraus: So weisen die ein flaches Walmdach tragenden hölzernen Stützen der „Säulengänge“ schmiedeeiserne „Kapitelle“ auf – ein ins Handwerkliche transformiertes Detail klassischer Architektur als Ausweis des hohen kulturellen Anspruchs. Streng sachlich funktional dagegen die Eingangsachsen der Ateliers mit Türen, deren Verglasung in eine äußerst fein profilierte kreuzförmige Stahlrahmenkonstruktion gefügt und die durch einen darüber positionierten balkonartigen Austritt nochmals akzentuiert wurden. Dessen karge Stahlrohrbrüstung scheint die sachliche Moderne der 1920er Jahre geradezu heraufzubeschwören, eine bewusste Erweiterung der ansonsten dominierenden niederrheinischen Bauweise.

Gefährdung durch mangelnde Wertschätzung, neuen B-Plan und Wirtschaftsinteressen
In Sachen Bautyp und Architektur, die die Anforderungen der Mustersiedlung aufgreift, sie aber künstlerisch freier umformt, fällt das Atelier- und Gemeinschaftshaus als ungewöhnliches, auf Düsseldorfs Geschichte als Kunststadt bezogenes Bauwerk heraus. Umso schmerzlicher ist die Tatsache, dass das im Besitz der Städtischen Wohnungsgesellschaft Düsseldorf mbH (SWD) befindliche Gebäude seit Jahren verwahrlost und, obwohl es sich um ein eingetragenes Baudenkmal handelt, lediglich lieblose, noch dazu unsachgemäße „Reparaturen“ ausgeführt werden (wenn überhaupt). Durch die fehlende Wertschätzung und Pflege sind auch Innenhof und die Venus-Skulptur völlig zugewachsen und in ihrer Gestaltungsqualität nicht mehr erkennbar.

Auch eine seit 2014 für die Siedlung Golzheim geltende Denkmalbereichssatzung konnte nicht verhindern, dass diese auch im Ganzen nachteilig verändert wurde und immer noch wird. Der bisherige B-Plan ist nach einer Klage außer Kraft gesetzt worden, der neue, noch in der Abstimmung befindliche, scheint entgegen des ersten Anscheins eine Nachverdichtung auch um Atelierhaus und die umliegenden Künstlerhäuser in den Bereich des Möglichen zu rücken. Alle Anzeichen lassen befürchten, dass die Stadt Düsseldorf das Atelierhaus weiter dem Verfall preisgeben wird. Durch den sich verschlechternden baulichen Zustand dürfte die Hürde einer gravierenden „Sanierung“, sprich Veränderung oder gar eines Abbruchs, sinken – der Investitionsdruck in dieser heute wie damals äußerst bevorzugten innenstadt- und rheinnahen Wohngegend ist extrem hoch.

Text: Ute Reuschenberg
Redaktion: Martin Bredenbeck

Oben: Blick in den Innenhof mit Bassin und Venus, um 1937. Foto: unbekannt (Nachlass Hans Junghanns im Baukunstarchiv NRW)