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Goldene Abrissbirne 2024: Verlust des sog. Generals­hotels in Schöne­feld bei Berlin

30.07.2024

Die Goldene Abrissbirne des Deutschen Ver­bandes für Kunstge­schichte e. V. wird in diesem Jahr an die Bundesanstalt für Immobilien­auf­gaben (BImA) ver­liehen, und zwar für den Ab­riss des sog. Generals­ho­tels in Schönefeld bei Berlin. Trotz ver­än­der­ter Rahmen­bedin­gun­gen und trotz ei­nes breiten ge­sellschaft­lichen und fachlichen Wider­spruchs wurde dort wertvolle Bau­sub­stanz abgebrochen, um einem Flugzeug­parkplatz zu weichen. 

Die Goldene Abrissbirne wurde 2020 vom Deutschen Verband für Kunstgeschichte erstmals verliehen. Sie geht an Eigentümer, die denkmalgeschützte Gebäude beseitigen, obwohl gute Argumente für deren Erhaltung und Weiternutzung vorliegen und obwohl sich eine mannig­faltige Öffentlichkeit für deren Erhaltung einsetzt. Im Sommer 2024 verleihen wir die Goldene Abrissbirne an die Bundes­anstalt für Immobilien­aufgaben (BImA), die im September 2023 mit der Entkernung des ehemaligen sog. Generals­hotels am Flughafen Berlin-Schönefeld begonnen hatte und den Abriss Ende Januar 2024 abgeschlossen hat. Auf dem Kongress für Kunstgeschichte im März 2024 in Erlangen wurde diese Entscheidung durch die Teilnehmer/‑innen im Berufsgruppenforum Denkmalpflege begrüßt.

 

Der Fall

Foto: Martin Maleschka

Das Gebäude für die Sonderabfertigung für Generale und Persönlichkeiten der Politik und Wirtschaft sowie für Staatsgäste der DDR entstand 1948–1949 nach Plänen des Architekten Max Schmidt. In seiner anspruchsvollen Fassaden­gestaltung und der qualität­vollen, bis zuletzt erhaltenen Innenausstattung, war es ein heraus­ragendes Beispiel für die repräsentative sowjetisch geprägte Nachkriegs­architektur Ostdeutschlands.

Das Objekt wurde bereits im Juli 2023 in die Rote Liste des Deutschen Verbandes für Kunstgeschichte aufgenommen. Ziel der Aufnahme war es, die zahlreichen amtlichen und ehrenamtlichen Initiativen zur Rettung des Objektes zu unterstützen. Trotz des Appells von Verbänden, Politikern, Fachleuten und Anwohnern, das Denkmal zu erhalten, beschloss die Bun­desan­stalt für Immobilienaufgaben als Eigentümer­vertreterin des Bundes, das Gebäude abzutragen. Die geänderten Planungen führten nicht zu einem Umdenken und der Integration des Denkmals in das Gesamt­konzept, obwohl dies möglich gewesen wäre. Nicht zuletzt die Unzugänglichkeit gegenüber denkmalfachlichen und historischen Argumenten hat uns dazu bewogen, der BImA die Goldene Abrissbirne zu verleihen.

Kommentar

Prof. Dr. Stephanie Herold, Professorin am Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin

„Seit seiner Errichtung 1948/ 49 im Auftrag der Sowjetischen Militäradministration überdauerte das Empfangsgebäude für hochrangige Flugreisende aus dem Ausland auf dem ehemaligen Flughafen Schönefeld die Phasen deutsch-deutscher Geschichte in unterschiedlichen Funktionen: vom noblen Empfangsgebäude für höhergestellte Gäste, über die Nutzung als Schulungsstätte für die Bundespolizei bis hin zum Terminal für Sammelabschiebungen. Seit 1995 stand das Gebäude aufgrund seines außergewöhnlichen künstlerischen und historischen Werts unter Denkmalschutz.

Dennoch wurde 2011 im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens beschlossen, das Gebäude zu Gunsten der Errichtung eines neuen Regierungsterminals abzureißen – dessen Bau sich jedoch verzögerte. Und zwar so lange, bis 2020 von der Regierung beschlossen wurde, aus finanziellen Gründen auf den Bau eines neuen Terminals zu verzichten. Diese veränderte Ausgangslage führte jedoch nicht dazu, den Abriss des nach wie vor denkmalgeschützten Gebäudes zu überdenken. Stattdessen wurde nun argumentiert, dass am Standort des Gebäudes Stellflächen für die Flugzeuge der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums entstehen müssten, die endgültig von Köln/Bonn nach Berlin übersiedeln soll – bis 2032. Hinweise aus verschiedenen fachlichen Kreisen, dass es durchaus auch Lösungen für diese Nutzungserweiterung bei Erhalt des Generalshotels gäbe bzw., dass eine Überarbeitung der Pläne auch zum Anlass einer Neubewertung der Prioritäten vor Ort führen sollte, wurden seitens der zuständigen Behörde (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, BIMA) und auch der politisch Verantwortlichen (Bundesregierung) geflissentlich ignoriert oder explizit abgelehnt. Selbst ein breites Bündnis aus verschiedenen einschlägigen Institutionen (darunter ICOMOS Deutschland, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bund Deutscher Architekt*innen, Deutscher Verband für Kunstgeschichte) und politischen Akteurinnen und Akteuren (darunter die Regierenden der Länder Berlin und Brandenburg) konnte so nicht dazu führen, einen einmal gestarteten bürokratischen Vorgang aufzuhalten.

Im September 2023 begann die Entkernung und im Dezember 2023 der Rückbau des Gebäudes, welcher Anfang Februar 2024 abgeschlossen war. Die Auszeichnung der Goldenen Abrissbirne können sich die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und die betreffenden Ressorts der Bundesregierung geschwisterlich teilen; derweil sich andere Akteurinnen und Akteure damit trösten können, dass Denkmalschutz in Deutschland eben nicht Bundes-, sondern Ländersache ist. Ganz offensichtlich.“

Hintergrund:

Im Dezember 2019 startete der Deutsche Verband für Kunstgeschichte sein Projekt „Rote Liste – ein Denkmalgewissen für Deutschland“. Der Deutsche Verband für Kunstgeschichte ist der Berufs- und Fachverband für Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker in Deutschland. Mit rund 5700 Mitgliedern zählt er zu den größten Verbänden in den Geisteswissenschaften bundesweit. Mit der Roten Liste will der Vorstand dazu beitragen, auf Denkmalgefährdungen aller Art aufmerksam zu machen. Die Rote Liste will das Verständnis für die Objekte schärfen und Lösungswege aufzeigen.

Wir sind überzeugt, dass in allen Fällen zugunsten des Denkmals entschieden werden könnte. Die ausgewählten Fallbeispiele sollen aufzeigen, wie aus Sicht des Verbandes für Kunstgeschichte Chancen vergeben werden und wie Kulturerbe verlorengeht – aber auch, wie gelungene Beispiele von Denkmalentwicklung aussehen und an welchen Orten durch zumeist bürgerschaftliches Engagement oder ein konstruktives Miteinander der lokalen Akteure Denkmäler gerettet werden.

Seit der Gründung der Roten Liste des Deutschen Verbandes für Kunstgeschichte haben sich in den Ländern weitere Kulturerbe-Netze gegründet, die auf Landesebene gefährdete Objekte verzeichnen. Unabhängig vom kulturhistorischen und/oder Denkmalwert werden im Abrissatlas Verluste von Bausubstanz erfasst. Der Abriss von Bausubstanz ist nicht mehr gesellschaftsfähig. Die Baubranche trägt einen enormen Anteil am CO₂-Ausstoß. Jedes Gebäude, das abgerissen wird, produziert Bauschutt und Sondermüll, der entsorgt werden muss. Die Denkmalpflege arbeitet seit Jahrzehnten mit Nachnutzung und Reparatur und trägt damit zur Nachhaltigkeit in der Baubranche bei. Der Verlust von Denkmalen ist nicht nur ein kultureller Verlust, sondern auch Ressourcenverschwendung. In besonderen Fällen wird der Verlust eines Denkmals mit der Goldenen Abrissbirne ausgezeichnet, die 2020 erstmals vergeben wurde. Auch wenn das Generalshotel nicht mehr zu retten war, derzeit kämpfen viele Initiativen für den Erhalt jüngerer Baudenkmale. Durch unser Engagement wollen wir auch auf den anhaltenden Verlust Moderner Architektur hinweisen. Aktuell beispielsweise steht der Abbruch des Sport- und Erholungszentrums in Berlin zur Debatte: https://www.gemeingut.org/rettet-das-berliner-sez/, https://sez-fuer-alle.de/.

 

Kontakt:

 

Die Rote Liste – ein Denkmalgewissen für Deutschland im Internet: http://roteliste.org