„Blaues Haus“ in Hof
„Blaues Haus“
Ehemalige Baumwollspinnerei Hof
Fabrikzeile 23
95028 Hof an der Saale
Erbaut: 1878 (im aktuellen Zustand seit 1916)
Entwurf: Hugo Beyttenmiller
Geschütztes Baudenkmal: nein
Status: akute Gefährdung
Für das „Blaue Haus“ besteht derzeit akute Abrissgefahr. Die leerstehende ehemalige Baumwollspinnerei in Hof soll einem Neubau weichen. Ein Berliner Investor plant an dem Standort den Bau von Wohnungen für Senioren und Familien. Lässt sich das historische Gebäude nicht sinnvoll umnutzen? Ist das „Blaue Haus“ tatsächlich verloren, und wieso darf dieses historische Bauerbe nicht Keimzelle einer Weiterentwicklung werden?
Unterstützung: Kreisarchivpfleger Adrian Roßner
Die „Baumwollspinnerei Hof“ markiert den Beginn der Mechanisierung in der nordostoberfränkischen Textilproduktion. Ausgehend von protoindustriellen Strukturen, die sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, lieferte die Herstellung von Stauchen, später Flören und „Tüchlein“ über Generationen hinweg einen Leitfaktor der lokalen wie regionalen Wirtschaft. Nach dem Anschluss an die Ludwig-Süd-Nord-Bahn war nach einem langen Ringen der Import von sächsischer Steinkohle aus dem Zwickauer Revier ermöglicht worden, der auch in Hof die Hinwendung zur großbetrieblichen Produktion erlaubte. 1853 begannen beinahe zeitgleich Überlegungen zum Bau dampfbetriebener Spinnereien in Bayreuth und Hof. Nur knapp ein Jahr später war die Aktiengesellschaft zur Gründung eines solchen Etablissements konzessioniert und mit dem notwendigen Stammkapital ausgestattet worden, wodurch der Bau der Anlagen beginnen konnte. Das Hauptgebäude wurde, nach der ersten erfolgten Erweiterung 1859, zum längsten Bauwerk der Stadt Hof und maß beeindruckende 206 Meter.
Durch die politischen und wirtschaftlichen Krisen (insbesondere der im Rahmen des amerikanischen Bürgerkriegs stark gestiegene Baumwollpreis machte zu schaffen) schlitterte das Unternehmen 1869 in den Konkurs und wurde von der bayerischen Hypothekenbank übernommen. Unter ihrer Leitung wurde eine neue Aktiengesellschaft ins Leben gerufen, die schnell auf einen guten wirtschaftlichen Kurs gebracht werden konnte, ehe ein verheerendes Feuer das Hauptgebäude der Spinnerei am 8. April 1878 in Schutt und Asche legte. Der Wiederaufbau begann noch im gleichen Jahr nach Plänen des Stuttgarter Architekten Hugo Beyttenmiller und orientierte sich an der ursprünglichen Struktur des Hochbaus. Die damals in den Anfängen befindliche Shed-Architektur konnte wegen des zu schmalen Grundstücks nicht zur Anwendung kommen. Die folgenden zwanzig Jahre können durchaus als „Goldene Epoche“ bezeichnet werden: Durch die fortschreitende Mechanisierung in der Textilproduktion konnte der Absatz der Spinnerei stetig gesteigert werden, ehe sie 1897 mit der benachbarten „mechanischen Weberei Hof“ fusionierte und so selbst zum zweistufigen Betrieb ausgebaut wurde. So entstand die „Neue Baumwoll-Spinnerei und Weberei Hof AG“. Eine letzte bauliche Veränderung am beeindruckenden Hauptgebäude fand 1916 durch den Ausbau des Dachgeschosses statt.
Das operative Geschäft wuchs, auch durch Übernahmen von Mitbewerbern, bis zum Ersten Weltkrieg weiter an und konnte, nach Einbrüchen in den 1940er Jahren, in der „Wirtschaftswunderzeit“ weiter florieren. Im Zeichen der stärker werdenden Globalisierung sah sich die Baumwollspinnerei ab den 1960er Jahren einem ausufernden Konkurrenzkampf ausgesetzt, den sie durch verschiedene Umstrukturierungen meisterte.
Den Betrieb der Spinnerei stellte die seit 2012 unter dem Namen „HofTex“ firmierende Firmengruppe in den 1990er Jahren ein. Der Abbruch eines großen Teils der Anlagen fand 2002 statt. Das „Blaue Haus“ ist damit das letzte Zeugnis des einst bedeutendsten Betriebs der Stadt, der nicht allein für Hof, sondern für die Textilregion Nordoberfranken eine elementare Rolle spielte.
Im Oktober 2019 beschloss der Stadtrat auf seiner 65. Sitzung mehrheitlich (35 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme) über die Zulässigkeit des Antrags bzw. Planungskonzeptes des Investors sowie die Einleitung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens und die Aufstellung des Bebauungsplans. Doch erst im Dezember 2020 nahm die lokale Berichterstattung über das Vorhaben an Fahrt auf. Grund hierfür sind scheinbar die divergierenden Interessenlagen von (ehrenamtlichen) Denkmalschützern und der Stadtplanung. Während die einen den Erhalt des Gebäudes als möglich erachten und eine Kompromisslösung fordern, sehen die anderen im Abriss die einzige Option für die Entwicklung des Areals.
Aus der Berichterstattung wird deutlich, dass der Umgang mit dem „Blauen Haus“ symptomatisch für die Personalnot in den Unteren Denkmalschutzbehörden steht. Auch hier wollen die Unterstützer/-innen des Blauen Hauses Abhilfe schaffen und eine stärkere Zusammenarbeit mit den Behörden forcieren. Es bleibt zu hoffen, dass die vielen konstruktiven Vorschläge erhört werden und sich für das „Blaue Haus“ ein Weg abseits der Abrissbirne finden lässt.
Text: Adrian Roßner
Redaktion: Franziska Klemstein, Martin Bredenbeck