Dammerstock-Siedlung Karlsruhe

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Dammerstock-Siedlung Karlsruhe
Danziger Straße
76199 Karlsruhe

Erbaut: 1928/29
Entwurf: Walter Gropius (künstlerische Oberleitung) und Architekten des Neuen Bauens, u. a. Otto Haesler, Wilhelm Ripahn, Franz Roeckle
Geschütztes Baudenkmal: ja, seit 1972

Status:  drohende Gefährdung

Mit der Siedlung Dammerstock, 1928/1929 von namhaften Architekten der Klassischen Moderne gestaltet, besitzt Karlsruhe ein bedeutendes Zeugnis des Neuen Bauens. Der von Walter Gropius für die Siedlung konzipierte Platz war jedoch bereits 1942 durch einen Luftschutzbunker überbaut worden. Mit der nun von der Stadt angestrebten mehrgeschossigen Nachverdichtung an dieser Stelle würden der städtebauliche Entwurf und das damalige Konzept von „Licht, Luft und Sonne“ endgültig zerstört.

Unterstützer: Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Stadtbild e.V.

Gesamtplan für die Dammerstock-Siedlung von Walter Gropius 1929. Quelle: Katalog 1929

Die Dammerstock-Siedlung ist nicht nur ein im Bauhaus-Jahr 2019 von der Stadt selbst gefeiertes Bauhaus-Erbe, sondern auch ein bedeutendes Zeugnis moderner und avantgardistischer kommunaler Bauplanung ihrer Zeit: Denn 1928 hatte die Stadtverwaltung einen Wettbewerb zur Bebauung des stadteigenen südlichen Teils des Dammerstock-Geländes ausgeschrieben, der den „Gebrauchswert der Wohnungen für Familien aus mittleren und unteren Einkommensschichten“ im Vordergrund stellte. Im Preisgericht saßen bedeutende Architekten wie Ernst May, Mies van der Rohe und Paul Schmitthenner. Der Entwurf von Walter Gropius wurde ausgewählt, und Gropius, der gerade die Direktion des Bauhauses in Dessau niedergelegt hatte, übernahm die Oberleitung des ersten Bauabschnitts der Mustersiedlung. Neben ihm waren auch Otto Haesler aus Celle, Wilhelm Ripahn aus Köln, Franz Roeckle aus Frankfurt sowie eine Anzahl von Karlsruher Architekten beteiligt, die unter Gropius Regie zu einer einheitlichen Lösung zusammenfanden.

Gropius verwirklichte konsequent seine Planungsidee einer rationalen Zeilenbauweise. Er verließ damit die herkömmliche Blockrandbebauung und baute in nordsüdorientierten Reihen. Optimale Besonnung und eine rationale, am Alltagsleben orientierte Raumaufteilung sollten allen Bewohnerinnen und Bewohnern gutes Wohnen gewährlisten. Zur Einweihung der ersten 228 Wohnungen – nach nur sieben Monaten Bauzeit – wurde im Oktober 1929 eine Ausstellung „Die Gebrauchswohnung“ veranstaltet, zu der, wie für alle anderen Werbemedien, die Gestaltung in den Händen des dada-Künstlers Kurt Schwitters lag.

Reihenhauszeile von Walter Gropius. Foto: Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Stadtbild

Adolf Behne bezeichnete den Dammerstock als „das konsequenteste Beispiel einer Siedlung im Zeilenbau“. Die Weltwirtschaftskrise verhinderte 1929 allerdings die planmäßige Fertigstellung der Siedlung, und die Nationalsozialisten, die das Neue Bauen ablehnten, ergänzten sie ab 1934 durch Häuser im „Heimatstil“. Erst die nach 1949 errichteten Laubenganghäuser nehmen wieder Elemente des Neuen Bauens auf.

Seit 1942 zerstört ein von den Nationalsozialisten auf der Grünfläche errichteter Bunker die Pläne von Walter Gropius, in denen er seither wie ein störender Fremdkörper wirkt. Schon zweimal stand eine Überbauung dieses großflächigen eingeschossigen Bunkers zur Diskussion, zunächst um 1970, dann wieder Anfang der 1990er Jahre. Nun erfolgt ein dritter Anlauf.

Blick in die Saarbrücker Straße mit den Zeilenbauten in Nordsüdrichtung. Foto: Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Stadtbild

Die Gewinnung von weiterem Wohnraum sowie ggf. einer KITA ist grundsätzlich sehr begrüßenswert. Die Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Stadtbild ist der Auffassung, dass an dieser Stelle jedoch der Abbruch des Bunkers und die Wiederherstellung der öffentlichen Grünfläche die richtige Wahl sind und dass eine Neubebauung an anderer Stelle projektiert werden sollte. Als Alternative könnte ein rundum und auch auf dem Dach begrünter sowie öffentlich begehbarer Bunker den ursprünglichen städtebaulichen Intentionen des Bauhaugründers zumindest ein Stück weit entgegenkommen.

Text: Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Stadtbild
Redaktion: Martin Bredenbeck

Pressemeldung der Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Stadtbild vom 20.04.2020 (68 KB)

Oben: Mehrfamilienhauszeile von Otto Haesler mit Waschhaus. Foto: Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Stadtbild