Deutsche Oper am Rhein

Eintrag veröffentlicht am 15.12.2021

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Deutsche Oper am Rhein
Heinrich-Heine-Allee 16 A
40213 Düsseldorf

Erbaut: 1954–56
Entwurf: Paul Bonatz (1877–1956), Julius Schulte-Frohlinde (1894–1968) und Ernst Huhn (1894–1964)
Geschütztes Baudenkmal: ja, seit 1994

Status: drohende Gefährdung

Die traditionsreiche Deutsche Oper am Rhein residiert heute in einem Wiederaufbau der frühen 1950er Jahre. Obwohl dieser seit 1994 unter Denkmalschutz steht, wird nun im Zuge des dringenden Sanierungs- und Erweiterungsbedarfs unter anderem auch die Möglichkeit eines völligen Abrisses des Hauses in Betracht gezogen.
Eine Grundsatzentscheidung zu Sanierung oder Neubau des Opernhauses soll vom Rat der Stadt Düsseldorf am 16. Dezember 2021 gefällt werden.

Unterstützung: dib Düsseldorf im Blick Forum für Baukultur und Stadtentwicklung e.V., Dr. Anja Schürmann

Der Gründungsbau der Oper wurde 1873–75 nach dem Vorbild der Semperoper von dem als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie tätigen Dresdner Architekten Ernst Giese (1832–1903) als Düsseldorfer Stadttheater errichtet. Er entstand als erster in einer Reihe von repräsentativen Bauten für Kultur und Verwaltung der im 19. Jahrhundert aufstrebenden Groß- und Industriestadt Düsseldorf. Nach dem Ende einer ersten, seit 1887 bestehenden Kooperation mit dem Duisburger Theater 1921 wurde das Düsseldorfer Theater 1925 zur Oper umfunktioniert und umbenannt.

Opernhaus von Südwesten, 2011. Foto: Wiegels, via Wikimedia Commons (CC BY 3.0)

Infolge der partiellen Zerstörung des Opernhauses im Zweiten Weltkrieg wurde 1954–56 ein Neubau errichtet, in den die noch vorhandene, unbeschädigte Architektur des Bühnenhauses integriert wurde. Statt der ursprünglichen Neurenaissancearchitektur aus dem 19. Jahrhundert mit der halbrund ausschwingenden Hauptfront entstand der Nachkriegsbau als kubischer Baukörper mit einer streng geometrisch gegliederten Fassade. Die Hauptseite des schlicht verputzten Baus wird durch den travertinverkleideten Mittelrisalit akzentuiert, der auf vier Rechteckpfeilern aus Fichtelgebirgsgranit ruht. Die Wandfläche darüber ist durch vertikale und horizontale Bänder unterteilt, sodass sich ein Rechteckraster ergibt, in das die Fensteröffnungen eingepasst sind. Die Breite der unteren drei Fensteröffnungen ergibt sich aus den Interkolumnien der Pfeiler des Eingangs. Mittig über jeder aus wiederum drei Fenstern bestehenden Gruppe erhebt sich jeweils ein bis fast über die gesamte Fassadenhöhe reichendes hochrechteckiges Fensterband, das in seiner Binnengliederung das Rastermotiv der Flächen aufnimmt. Einziger bildhauerischer Schmuck des Mittelrisalits sind die drei Reliefs mit Motiven des antiken Theaters über den Fensterbändern von Ferdinand Heseding.

Im Zuschauerraum, der vom „Kinoarchitekten“ Ernst Huhn (1894–1964) verantwortet wurde, und im Opernfoyer herrschen im Gegensatz zum Äußeren geschwungene Formen vor. Damit werden einerseits in der Grundform die Tendenzen der Monumentalarchitektur der konservativen Moderne der 1930er Jahre fortgeführt, jedoch fließt auch das damals aktuelle Formenrepertoire der 1950er Jahre in den Bau ein, vor allem in der innenarchitektonischen und der raumkünstlerischen Gestaltung (Wandgemälde im Foyer mit mythologischen Szenen von Robert Pudlich). Bei seiner Eröffnung rief der Opernneubau dennoch große Kritik in der Öffentlichkeit hervor, die ihn u. a. als zu unmodern verurteilte.

Mit seiner Mischung konservativer und aktueller Stilelemente ist das Opernhaus auch ein gebautes Zeugnis der spezifischen Situation im Düsseldorf der Nachkriegszeit. Im Gegensatz zum Bauen der avantgardistischen Architektur der 1920er und 1930er Jahre hatte die monumental-repräsentative Architekturströmung der Moderne in Düsseldorf von Anfang an eine starke Lobby. Sie ging später in der Repräsentationsarchitektur des Nationalsozialismus auf, ihre Architekten wie u. a. Wilhelm Kreis, Julius Schulte-Frohlinde und Friedrich Tamms prägten unter der Leitung Albert Speers das Baugeschehen. Das Erscheinungsbild der Oper wurde in der Hauptsache durch den 1952 als Leiter des Düsseldorfer Hochbauamtes berufenen Schulte-Frohlinde verantwortet, an dessen Personalie sich der „Düsseldorfer Architektenstreit“ entzündete. Vertreter der Internationalen Moderne wie Josef Lehmbrock und Bernhard Pfau hatten sich im Düsseldorfer „Architektenring“ zusammengeschlossen und protestierten sowohl gegen die Weiterbeschäftigung von hochrangigen Architekten des Dritten Reichs wie Schulte-Frohlinde als auch gegen die damit verbundene bruchlose Fortführung der Stadtplanung der 1940er Jahre und des Monumentalbaustils, der frühere avantgardistische Ansätze verdrängt hatte. Inhaltlich ging es beim Architektenstreit nicht nur um die Frage der Architekturstile, sondern vornehmlich um demokratische Fragen wie die der personalpolitischen Transparenz und der gesellschaftlichen Teilhabe am städtischen Wiederaufbau. Bei der Suche nach Lösungen zu Fragen des Wiederaufbaus schlossen sich schließlich auch konservativ eingestellte Architekten der Internationalen Moderne an. Im Nachgang des Architektenstreits setzten sich in Düsseldorf zunehmend auch moderne Lösungen durch, so das Thyssen-Haus (Dreischeibenhaus) von Hentrich, Petschnigg und Partner (1957–60) und Bernhard Pfaus Schauspielhaus (1965–70).

Opernhaus von Westen, 2011. Foto: Wiegels, via Wikimedia Commons (CC BY 3.0)

1994 wurde der 1950er-Jahre-Bau unter Denkmalschutz gestellt. Als denkmalwürdig wurde er befunden aufgrund seiner Architektur, die ein anschauliches Zeugnis der Zeit des „Architektenstreits“ und des Wiederaufbaus darstellt und auch wegen der Restsubstanz des ursprünglichen Stadttheaters Düsseldorf von 1873, das als Teil des Neubaus immer noch erhalten ist. Historische Bedeutung hat das Gebäude zudem als provisorischer Tagungsort des ersten Westfälischen Landtags ab 1946 und als eine der zwei Spielstätten der „Deutschen Oper am Rhein“, eines der wichtigsten Musiktheater Westdeutschlands, mit deren Gründung 1956 die frühere Zusammenarbeit mit dem Theater Duisburg wieder aufgenommen wurde.

Obwohl das Haus 2005/06 saniert und durch einen Orchester- und Ballettprobensaal erweitert wurde, gibt es aktuell erneuten Erweiterungs- und vor allem Reparaturbedarf und bereits seit 2019 laufende Überlegungen der Stadtverwaltung, hier Abhilfe zu schaffen.

Die favorisierte Form ist nun ein Neubau als „Opernhaus der Zukunft“, den die Stadt unter hoher Beteiligung der Öffentlichkeit bewirbt. Begründet wird die Notwendigkeit, neu zu bauen, zum einen mit den aufzuwendenden Kosten, die bei der Sanierung des Gebäudes durch Unvorhersehbarkeiten schnell die vorherigen Kalkulationen übersteigen könnten. Würden zusätzlich noch die bauliche Verbesserung und Erweiterung (Studiobühne) des Bestandsgebäudes einbezogen, sei eine Sanierung gegenüber einem Neubau die kostenintensivere Variante. Zum anderen gilt der Opernneubau als „Leuchtturmprojekt“ für die Stadt, mit dem hohe Ziel, ökologische Nachhaltigkeit und eine Bedeutung als wirtschaftlicher und touristischer Standortfaktor zu verbinden. Unter dem Motto „Oper für alle“ will die Stadt Düsseldorf einen „place to be“ für breite Gesellschaftsschichten schaffen. Die neue Oper soll ein Haus werden, das das Publikum nicht nur wie bisher mit dem klassischen Opern- und Ballettrepertoire anzieht, sondern „z. B. mit Gastronomie, Angeboten der kulturellen Bildung und Ausstellungen, […] Treffpunkt für alle Bürgerinnen und Bürger sein kann und den Menschen in der Stadt somit einen unmittelbaren Mehrwert bietet“ (Dialog Opernhaus Düsseldorf, FAQs).

Um den so abgesteckten Rahmen inhaltlich zu füllen, wurden über eine Onlineplattform im Sommer 2021 mittels verschiedener Formate Ideen der Bürgerinnen und Bürger und der fachlichen Akteurinnen und Akteure gesammelt und in drei „Dialogforen“ ausgewertet. Die endgültige Entscheidung über Sanierung oder Neubau fällt letztendlich aber allein der Rat der Stadt, mit einer Beschlussvorlage, die in der nächsten Sitzung am 16. Dezember 2021 eingebracht werden soll. Auch der Oberbürgermeister Stephan Keller steht hinter dem Neubauprojekt (Düsseldorfer Nachrichtendienst, 10.09.2021). Verschiedene Architekturbüros haben bereits Projektskizzen zur neuen Oper veröffentlicht, wobei es zu einer konkreten Ausschreibung erst nach dem Beschluss über einen Neubau kommen kann.

Obwohl die Entscheidung noch aussteht, wurde bereits die Frage des potenziellen Standorts für die neue Oper erörtert, der entweder am angestammten Platz an der Heinrich-Heine-Allee am Hofgarten oder an einem alternativen Standort entstehen könnte. In beiden Fällen ergibt sich die Frage danach, was mit dem denkmalgeschützten Opernhaus geschehen soll. Am jetzigen Standort, der sich in der öffentlichen Befragung hinsichtlich Erreichbarkeit und Infrastruktur als einer der Favoriten herausgestellt hat, gerät das Neubauprojekt in Konflikt mit dem Denkmalschutz sowohl des alten Opernhauses als auch der anliegenden ebenfalls denkmalgeschützten Grünanlage des Hofgartens. Wird hingegen einer der alternativen Standorte gewählt, bleibt die Frage, was mit dem Altbau geschehen soll. Ob in diesem Fall ein Abriss oder ein Erhalt des Gebäudes erfolgt und wie es gegebenenfalls genutzt werden könnte, wenn die Oper in einem neuen Domizil logiert, ist derzeit völlig offen.
Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Nachkriegszeit erscheint die Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Opernplanung vorbildlich, jedoch ist einzuwenden, dass die Bürgerbeteiligung nur für ein von vornherein feststehendes Projekt erfolgte, nämlich das stark erweiterte Opernkonzept „Oper für Alle“, das einen Neubau des Opernhauses erforderlich macht (vgl. auch den Beitrag von Dr. Stefan Körber, dib, 03.12.2021). Alternative Szenarien oder auch Überlegungen zum Nutzungskonzept für den Bestandsbau waren dabei nicht oder nur am Rande gefragt.
Es entsteht der Eindruck, dass die anspruchsvolle aber inhaltlich unausgereifte Planung, die Oper programmatisch in Richtung Kulturhaus zu erweitern, eher der Rechtfertigung des Neubauansinnens entspringt und weniger der Absicht, die akuten Probleme des Spielbetriebs in dem maroden und zu kleinen aber denkmalgeschützten Bestandsbau zu lösen.

Es gibt auch Alternativvorschläge: So wäre es genauso denkbar, das Opernhaus als traditionellen Spielort beizubehalten und dazu an anderem Ort ein modernes Musiktheater für größere Aufführungen und andere gesellschaftliche, kulturelle und bildungspolitische Aufgaben zu errichten (Beitrag von Hagen Fischer, dib, 09/2021). Von stadtplanerischer Seite wurde dafür plädiert, den angestammten und allgemein präferierten Standort der Oper am Hofgarten nicht aufzugeben. Hinsichtlich der Abwägung von Sanierung oder Neubau spräche vor allem der Aspekt der Nachhaltigkeit für einen Erhalt des bestehenden, gegebenenfalls auch baulich veränderten Opernhauses (Beitrag von Rita Hoff, dib, 10/2021).
Auch die Aktionsgemeinschaft Düsseldorfer Heimat- und Bürgervereine e.V. forderte in einer Presseerklärung, den denkmalgeschützten Bau für den Kulturbetrieb zu erhalten, keine Eingriffe in den Hofgarten vorzunehmen und ergänzend andernorts ein zeitgemäßes Opernhaus zu errichten.
Der Verein Düsseldorf im Blick veröffentlichte am 21.09.2021 ein an den Stadtrat adressiertes Positionspapier, in dem außer dem Erhalt des denkmalgeschützten Opernhauses u. a. gefordert wird, vor einer Entscheidung über den Neubau sämtliche Kosten, wie z. B. auch Grundstücks- und Betriebskosten für die verschiedenen Planungsvarianten, zu kalkulieren und zu vergleichen. Am 06.12.2021 wurden diese Forderungen in einer dem Stadtrat übersandten Stellungnahme des Vereins noch einmal bekräftigt, mit der Bitte, die Grundsatzentscheidung zu vertagen.

Allen Einwendungen gemein ist, dass sie zur Besonnenheit aufrufen und vor einer vorschnellen Entscheidung für einen Neubau warnen, die den Verlust des alten Opernhauses zur Folge haben könnte. Bleibt zu hoffen, dass sie Gehör finden werden angesichts der großen Erwartungen, die seitens der Stadt mit dem Neubauprojekt „Oper für alle“ verbunden sind.

Text: Carola Dittrich

 

Oben: Deutsche Oper am Rhein mit Relief von Ferdinand Heseding, 2020. Foto: Jula2812, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Literatur:
Durth, Werner: Der Düsseldorfer Architektenstreit Vorgeschichte und Folgen, in: Anna, Susanne (Hg.): Architektenstreit. Wiederaufbau zwischen Kontinuität und Neubeginn, Düsseldorf 2009, S. 23–34.
Englert, Klaus: Albert Speers Architekten und der Wideraufbau Düsseldorfs, in: Anna, Susanne (Hg.): Architektenstreit. Wiederaufbau zwischen Kontinuität und Neubeginn, Düsseldorf 2009, S. 43–54.
Heimeshoff, Jörg: Denkmalgeschützte Häuser in Düsseldorf, Essen 2001, S. 109–110.
Kanz, Roland und Wiener, Jürgen (Hgg.): Architekturführer Düsseldorf, Berlin 2001, S. 17.
Muscheler, Ursula: Wer liefert die Pläne? Der Düsseldorfer Architektenstreit, in: Anna, Susanne (Hg.): Architektenstreit. Wiederaufbau zwischen Kontinuität und Neubeginn, Düsseldorf 2009, S. 117–129.

Quellen:
Denkmalliste Düsseldorf
mündliche Auskünfte der Unteren Denkmalschutzbehörde Düsseldorf (01.10.2021)
Deutsche Oper am Rhein (Stand 01.10.2021)
Das Opernhaus der Zukunft (Stand 01.10.2021)
Düsseldorf im Blick. Forum für Baukultur und Stadtentwicklung e.V., Positionspapier vom 28.09.2021 (abgerufen am 01.10.2021)
Düsseldorf im Blick. Forum für Baukultur und Stadtentwicklung e.V., Stellungnahme vom 06.12.2021 (abgerufen am 11.12.2021)
Hagen Fischer: Meinung: Wie steht es mit der Oper?, dib-Beitrag vom 14.09.2021 (abgerufen am 11.12.2021)
Rita Hoff: Meinung: Kritische Betrachtungen zur Opernplanung in Düsseldorf, dib-Beitrag vom 05.10.2021 (abgerufen am 06.10.2021)
Stefan Körber: Meinung: Abriss des denkmalgeschützten Opernhauses – Legitimation durch Bürgerbeteiligung?, dib-Beitrag vom 03.12.2021 (abgerufen am 11.12.2021)
Aktionsgemeinschaft Düsseldorfer Heimat- und Bürgervereine e.V., Presseerklärung (abgerufen am 05.10.2021)
Verwaltung empfiehlt Neubau des Düsseldorfer Opernhauses, Lokal[büro]. Düsseldorfer Nachrichtendienst vom 10.09.2021 (abgerufen am 01.10.2021)
Geflickte Oper in Düsseldorf, DIE ZEIT vom 26.04.1956 (abgerufen am 05.12.2021)
Christian Oskar Gazsi Laki: Die Oper – ein Denkmal und seine Geschichte, Westdeutsche Zeitung vom 20.09.2018 (abgerufen am 27.09.2021)
Arne Lieb: Warum Düsseldorf für sein Opernhaus vernichtende Kritik einstecken musste, Rheinische Post Online vom 02.05.2019 (abgerufen am 27.09.2021)
So sah das Opernhaus früher aus, Rheinische Post Online (abgerufen am 27.09.2021)
Patrick Bahners: Neue Opernbaustelle. Was wir uns hier in Düsseldorf vorstellen, FAZ vom 12.03.2021 (abgerufen am 14.09.2021)
Alexander Menden: Wenn Denkmäler unbezahlbar werden, Süddeutsche Zeitung vom 25.07.2021 (abgerufen am 14.09.2021)