Ehemaliges Verstärkeramt in Kochel am See

Eintrag veröffentlicht am 18.06.2020, aktualisiert am 22.02.2021

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Ehemaliges Verstärkeramt
Bahnhofstraße 34
82431 Kochel am See

Erbaut: 1926–1927
Entwurf: Robert Vorhölzer (1884–1954), Ausführung: Franz Holzhammer (1893–1958)
Geschütztes Baudenkmal: ja, seit September 2018

Status: Totalverlust

Als das Verstärkeramt in Kochel am See im Juni 2020 in die Rote Liste aufgenommen wurde, schienen Rettung und Weiternutzung des Denkmals noch möglich. Doch haben alle aus der Fachwelt vorgetragenen Argumente und alles bürgerschaftliche Engagement, bis hin zu einem Klageverfahren, am Ende nichts genutzt: Die Stadt setzte ihre Pläne durch; im November 2020 wurde mit dem Abbruch begonnen, der mittlerweile vollzogen ist. Eine vergebene Chance, historische Bausubstanz und Baukultur mit neuem Leben zu füllen. Der Verband Deutscher Kunsthistoriker hat diesem Fall im Dezember 2020 die Goldene Abrissbirne zuerkannt.

Unterstützer: Denkmalnetz Bayern, BauKulturfreunde Weilheim, Arch. Heiko Folkerts und weiteres lokales und bundesweites Engagement

Am 18.12.2020 geht die Goldene Abrissbirne des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker e.V. an das ehemalige Verstärker­amt in Kochel am See.

Der Verband Deutscher Kunst­historiker bedauert den bald bevor­stehenden Total­verlust eines Gebäudes, dessen historische Bedeu­tung und Potentiale nicht als Chance erkannt wurden.

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Untergeschoss, Zugang Amtsgebäude. Foto: Jean Molitor

(Eintrag vom 18.06.2020)
Das ehemalige Verstärkeramt ist ein hervorragendes, sehr gut erhaltenes Beispiel der bedeutenden Münchner Postbauschule von Robert Vorhölzer. Der ausführende Architekt Franz Holzhammer war Schüler von Theodor Fischer und Friedrich von Thiersch und wurde 1930 von Robert Vorhölzer zu seinem Nachfolger als Leiter des Baureferates der Oberpostdirektion München berufen.

Bemerkenswert sind bei den schlicht gehaltenen Baukörpern insbesondere die kleinen ideenreichen Detailgestaltungen, das gut proportionierte Formenspiel bei Fenster- und Türausbildungen, Leibungstiefen, Gesimsen, Natursteinvorlagen, Fensterläden, Dachüberständen, bei Schmiede- und Spenglerarbeiten sowie die malerisch integrierten und komponierten Fresken und Reliefs auf den Fassaden von namhaften Kunstmalern bzw. Bildhauern der Münchner Schule. Der bis heute durchwegs sehr hohe Erhaltungszustand der bayerischen Postbauten zeugt von der hohen handwerklichen Durchbildung und Qualität.

Messingtürgriff (1927). Foto: Jean Molitor

Die Kocheler Postbauten sind mit Herzogstand, Walchenseekraftwerk, dem bekannten Ferienheim von Emil Freymuth und dem beliebten Franz Marc-Museum fundamentaler Bestandteil der lokalen Baukultur und des „Blauen Landes“ und bilden ein wichtiges Zentrum der frühen Moderne in Bayern. Das Verstärkeramt gilt über seine Bedeutung für die Münchner Postbauschule hinaus als eines der schönsten der deutschen Postbaugeschichte.

Messinghandlauf am Treppenantritt (1927). Foto: Jean Molitor

Die Gemeinde Kochel plant auf dem Gelände den Neubau von Wohnungen. Unverständlich bleibt, wieso die Gemeinde diese an sich positiven Pläne gegen das Denkmal konzipiert und sie nicht vom Denkmal aus entwickelt. Im Nordflügel zur Straße hin bestehen zahlreiche großzügig geschnittene Wohnungen, die sich hervorragend mit geringem Aufwand sanieren und mit Bädern erweitern lassen. Eine Erhaltung des Gebäudes lässt sich nach Ansicht der engagierten Bürger/-innen aus finanzieller, wirtschaftlicher, städtebaulicher und kunsthistorischer Sicht durch die Gemeinde Kochel darstellen.

Im Jahre 2018 reichten Heiko Folkerts und Birgitt Borio stellvertretend für viele weitere Unterstützter eine Petition beim Bayerischen Landtag ein. Der Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags kam am 26. Mai 2020 zu einem Ortstermin nach Kochel.

Text: Denkmalnetz Bayern (weitere Informationen zur Gefährdungsgeschichte und Materialien)
Redaktion: Martin Bredenbeck

Oben: Foto: Jean Molitor