Eintrag veröffentlicht am 24.08.2021, aktualisiert am 23.09.2021

'

Gerbhaus
Blücherstraße 23
55422 Bacharach

Erbaut: spätes 18. oder frühes 19. Jahrhundert
Geschütztes Baudenkmal: ja

Status: akute Gefährdung

Das über 200 Jahre alte, denkmalgeschützte Gerbhaus steht mitten im historischen Bacharach, am Eingang zum Malerwinkel. Seit Jahren verfällt das stadtbildprägende Bauwerk immer mehr, da die Eigentümer nicht das geringste Interesse zeigen. Ein beherztes Eingreifen, um zumindest eine vorläufige Notsicherung durchzuführen, wäre dringend erforderlich. Das Gerbhaus ist ein beklagenswertes Beispiel dafür, wie sich unter ungünstigen Umständen Verantwortung verflüchtigt und wie historische Bauten und ein Stadtbild darunter leiden.

Unterstützung: Initiative zur Rettung historischer Bauten (IRHB); Förderverein Malerwinkel/Holzmarkt Bacharach; Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Regionalverband Rhein-Main-Nahe

Links das Gerbhaus, von der Blücherstraße aus gesehen, im Ensemble mit dem Steeger Tor; rechts im Detail die gravierenden Dachschäden. Foto: Frank Jermann

Das Städtchen Bacharach gehört zu den Herzstücken des romantischen Mittelrheintals. Die Lage im Talausgang, beherrscht von der Burg Stahleck, geprägt von der gotischen Wernerkapelle, der Kirche St. Peter und den umfangreichen Resten der Stadtmauer, gesegnet mit vielen historischen Bauten, ergibt ein unvergleichliches Gesamtbild. Vor der Entwicklung des Rheintourismus im 19. Jahrhundert gehörte der Weinhandel traditionell zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen in Bacharach. Am nördlichen Stadtausgang siedelten sich seit dem 17. Jahrhundert Gerber an, die das Wasser des aus dem Steeger Tal kommenden Münzbachs nutzten, so dass hier eine Reihe historischer Gerberhäuser überliefert ist.

Das Gerbhaus Blücherstraße 23 wird vom Denkmalverzeichnis für den Kreis Mainz-Bingen wie folgt beschrieben: „ehem. Gerbhaus, Fachwerkbau verputzt, Mansarddach, wohl spätes 18. oder frühes 19. Jh.“. Entsprechend seiner Nutzung als Wirtschaftsgebäude zeigt das Gebäude eine schlichte, doch gut proportionierte Gestaltung. Eine besondere Bedeutung ergibt sich aus der städtebaulichen Lage, da linkerhand der Burgweg abgeht. Das Haus liegt also in einer betonten Ecksituation, sein den Straßenraum beherrschender Giebel bildet mit dem wenige Meter entfernten Turm des Steeger Tores ein markantes Bild.

Detail der deutlich sichtbaren Schäden am seit Jahren offenen Dach. Foto: Frank Jermann

Sei es aus Unkenntnis, aus Unwillen oder Unvermögen: Die – nicht bekannten – Eigentümer vernachlässigen das Haus seit Jahren geradezu konsequent. Es regnet in das offene Dach hinein. Der Dachstuhl ist bereits teilweise eingesackt, überall zeigen sich die Folgeschäden, unter denen die Substanz zunehmend leidet. Die starken Regenfälle vom Juli 2021 führen zu einer weiteren Verschlimmerung.

Dadurch wird der Fall zu einer Angelegenheit des öffentlichen Interesses. Stadtpolitik, Kreisverwaltung, Untere Denkmalbehörde beim Landkreis Mainz-Bingen und die Direktion Landesdenkmalpflege in Mainz sind informiert. Seit 2015 ist der schlechte Zustand des Hauses amtlich bekannt. Eine Notsicherung als Ersatzvornahme wäre rechtlich möglich, ist jedoch bislang nicht erfolgt. Es droht ein historisch bedeutendes Bauwerk verlorenzugehen, wodurch auch das Stadtbild Schaden leiden würde.

Folgeschäden durch das fehlende Regenrohr; im Hintergrund die berühmte Ruine der Wernerkapelle. Foto: Frank Jermann

Bacharacher Aktivistinnen und Aktivisten (Förderverein Malerwinkel/Holzmarkt) haben die überregional agierende Initiative zur Rettung Historischer Bauten im April 2021 gebeten, sie bei den Bemühungen um den Erhalt zu unterstützen. Dieser Forderung nach Erhalt schließt sich die Rote Liste des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker an und hat den Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz eingeschaltet.

Das Gerbhaus braucht jetzt als erstes eine Notsicherung. Wenn der politische Wille dafür auf Gemeinde- und Kreisebene vorliegt, ist dies als Maßnahme der Verwaltung ohne Weiteres möglich. Das bürgerschaftliche Engagement für das Gerbhaus ist seit Jahren aktiv. Politik und Verwaltung sollten jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass Bacharach das Gebäude nicht verliert. Alle weiteren Schritte – Klärung der Eigentumsverhältnisse, Nutzungskonzept, Sanierung – können danach in Ruhe angegangen werden, denn schließlich wird mit der Bundesgartenschau 2029 mit weiterem Raumbedarf auch in den historischen Ortslagen wie Bacharach zu rechnen sein.

Text: Frank Jermann, Martin Bredenbeck
Redaktion: Martin Bredenbeck

Oben: Das Gerbhaus (Bildmitte) im Kontext der historischen Bausubstanz. Foto: Frank Jermann

PRESSERESONANZ

Noch ist das Gerbhaus nicht verloren (Mittelrheingold – Journalistisches Blog über das UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal, 05.11.2021)