Eintrag veröffentlicht am 11.05.2020, aktualisiert am 12.02.2021
Heil- und Pflegeanstalt („Hupfla“), ehemalige Kreisirrenanstalt
Schwabachanlage 10
91054 Erlangen
Erbaut: 1834–1846 (panoptische Südflügel); bis 1879 (Erweiterungen im Pavillonsystem)
Entwurf: Musteranlage von Zivilbauinspektor Schulz, Ansbach, unter Beteiligung von Prof. Dr. Mich. Leupoldt; ab 1859 unter Anstaltsdirektor Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Hagen (1814–1888)
Geschütztes Baudenkmal: ja, seit 1991
Status: Substanzverlust
Der Kompromiss, der für die widerstreitenden Interessen gefunden wurde, hat bei diesem Objekt einen bitteren Beigeschmack. Mitte Oktober 2020 wurde das Gebäude bereits weitgehend abgerissen. Im Mittelbau wird die Erinnerungsstätte für die Opfer der Euthanasie eingerichtet. Rein formal ist also ein authentischer Gedenkort erzielt, und da kleine Reste von Ost- und Westflügel erhalten bleiben, wird auch die einst so prägende Symmetrie bewahrt. Gedenkstätte und der Rest vom Baudenkmal sind jetzt „deckungsgleich“ geworden. Gefühlt handelt es sich am Ende leider doch um einen Totalverlust.
Unterstützer: Konrad Rottmann (Stadtheimatpfleger Erlangen)
Hupfla, Nordseite, Zustand 2017. Foto: Karin Raab
(Eintrag vom 11.05.2020)
Die Geschichte der ersten überregionalen Klinik (damals „Kreisirrenanstalt“) für Geisteskranke in Bayern beginnt 1834–39 mit Vorplanungen. Die Einweihung erfolgte 1846, gebaut als sogenannte panoptische (aus dem griechischen: pan = all-, optisch = sehen) kreuzförmige Anlage, eine für britische Gefängnisse entwickelte Idee, die eine zentrale Überwachung der „Insassen“ ermöglichte, so dass Kosten gespart wurden. Die rasch steigenden Patientenzahlen erforderten schnell zahlreiche An- und Neubauten, so dass das architektonische Konzept bereits bei der Eröffnung durchbrochen war. Maßgeblich beteiligt an der Konzeption der zweiten Bauphase – zu der die heutige „Hupfla“ gehört – war Prof. Friedrich Wilhelm Hagen, der damalige Anstaltsleiter, der als Erneuerer der klinischen Psychiatrie in Deutschland gilt. Er war außerdem – neben dem Leibarzt Bernhard von Gudden – einer der Gutachter von König Ludwig II. von Bayern. Hagen wendete sich vom panoptischen System ab, die Erweiterungen erfolgten im moderneren Pavillonsystem.
Die Kreisirrenanstalt wurde um 1910 in Heil- und Pflegeanstalt Erlangen umbenannt. Mit Heilen und Pflegen hatte diese Anstalt dann in der Zeit des Nationalsozialismus wenig zu tun: In der Anstalt wurden Hunderte von Patienten zwangssterilisiert, etwa 2500 der „Euthanasie“ zum Opfer (Nürnberger Nachrichten vom 28.03.2019) bzw. wurden auf sogenannten „Hungerstationen“ getötet. Auch als authentischer Tatort der Erlanger Medizingeschichte ist das Gebäude bedeutend. Bis 1977 fungierte die Anlage als Bezirkskrankenhaus, wurde dann Teil des Universitätsklinikums.
Hupfla, Panorama der Südseite, Zustand 2017. Foto: Karin Raab
Von der Gesamtanlage ist seit den ersten Abbrüchen in den 1970er Jahren nur noch das südlich gelegene Eingangsgebäude und das nördlich gelegene Pavillongebäude überliefert, ein zwei- bzw. dreigeschossiger Sandsteinquaderbau mit Walm- und Satteldächern, Mittel- und Seitenrisaliten sowie zwei Eckpavillons. Dieser Bau ist nun zum Teilabbruch vorgesehen. Den 2019 geschlossenen Kompromiss einer „Halbierung“ tragen das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Untere Denkmalschutzbehörde, das Baureferat der Stadt Erlangen, das Euthanasieaktionsbündnis „Gedenken gestalten – Hupfla erhalten“ und die Heimatpflege jedoch nicht mit und stellen die vollständige Erhaltung und Einbeziehung in die Neubaupläne an oberste Stelle.
Alternativplanungen, die den Kompletterhalt ermöglichen, wurden dem Baukunstbeirat der Stadt Erlangen nicht vorgelegt. Folge des Teilabbruchs wäre ein asymmetrischer Gebäuderest, dessen Wirkung und Wirksamkeit – auch als Erinnerungsstätte für die Euthanasie-Opfer – fraglich erscheint. Zudem präjudiziert der Teilabbruch weiterhin einen späteren Totalverlust.
Texte: Konrad Rottmann (Stadtheimatpfleger Erlangen) und Denkmalnetz Bayern
Redaktion: Martin Bredenbeck
Oben: Hupfla, Südseite, Zustand 2017. Foto: Karin Raab