Heil- und Pflegeanstalt („Hupfla“) Erlangen

Eintrag veröffentlicht am 11.05.2020, aktualisiert am 23.06.2023

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Heil- und Pflegeanstalt („Hupfla“), ehemalige Kreisirrenanstalt
Schwabachanlage 10
91054 Erlangen

Erbaut: 1834–1846 (panoptische Südflügel); bis 1879 (Erweiterungen im Pavillonsystem)
Entwurf: Musteranlage von Zivilbauinspektor Schulz, Ansbach, unter Beteiligung von Prof. Dr. Mich. Leupoldt; ab 1859 unter Anstaltsdirektor Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Hagen (1814–1888)
Geschütztes Baudenkmal: ja, seit 1991

Status:  Substanzverlust

Der Kompromiss, der für die widerstreitenden Interessen gefunden wurde, hat bei diesem Objekt einen bitteren Beigeschmack. Mitte Oktober 2020 wurde das Gebäude bereits weitgehend abgerissen. Im Mittelbau wird die Erinnerungsstätte für die Opfer der Euthanasie eingerichtet. Rein formal ist also ein authentischer Gedenkort erzielt, und da kleine Reste von Ost- und Westflügel erhalten bleiben, wird auch die einst so prägende Symmetrie bewahrt. Gedenkstätte und der Rest vom Baudenkmal sind jetzt „deckungsgleich“ geworden. Gefühlt handelt es sich am Ende leider doch um einen Totalverlust.

Unterstützer: Konrad Rottmann (Stadtheimatpfleger Erlangen)

Abbrucharbeiten, April 2023. Foto: Franziska Klemstein

Update 2023: Teilabbruch

Der Teilabbruch ist inzwischen in vollem Gang. Der Kompromiss, der für die widerstreitenden Interessen gefunden wurde, lässt nun erkennen, wie schwerwiegend der Verlust der Substanz an diesem Gebäude ist.

Auch ein offener Brief der Jüdischen Gemeinde an den Oberbürgermeister Dr. Florian Janik vom 15. März 2023 konnte daran offenbar nichts mehr ändern. In ihrem Schreiben verweist die Jüdische Gemeinde auf die Notwendigkeit des Erhalts, insbesondere des östlichen Patiententrakts. Denn im Souterrain dieses Gebäudeteils befand sich die „Station H1“, die durch „strukturelle Unterversorgung“ zum Tod von mindestens einem jüdischen Menschen – Markus Lindheimer – geführt hat. Lindheimer stammte aus Miltenberg, der am 31. Juli 1941 nach Erlangen und am 18. Februar 1942 auf die Station H1 verlegt worden war. Dort verstarb er am 17. September 1942 nach starkem Gewichtsverlust angeblich an „Herzlähmung“.

„Hupfla“ mit Bauzaun, Zustand im April 2023. Foto: Franziska Klemstein

Die Jüdische Gemeinde betont eindringlich die Bedeutung des Substanzerhalts, der den „Respekt vor den auf unsagbar grausame Art Gequälten gebietet […], nichts unversucht zu lassen, wenigstens das Andenken an sie insoweit zu bewahren, dass für uns heute Nachkommenden der Ort ihrer Agonie weitestmöglich erkennbar bleibt.“

Auch ein weiterer Vorschlag zum Teilerhalt wird von der Gemeinde unterbreitet, der den Erhalt des Untergeschosses vorsieht, auf dem ein (begrüntes) Flachdach gesetzt werden könne. Dieses Vorgehen würde auch den Abbruch des oberen – für abbruchfähig erklärten – Bauteils ermöglichen. „Auf der anderen Seite könnte man den Neubau zu einem geringen Anteil seines Erdgeschosses ausklinken und über den verbleibenden Rumpf des Altbaus stellen, mit Abstand zwischen den einzelnen Baukörpern“, der mit nur einen geringen Verzicht auf Seiten des Bauherrn einfordern würde.

Südseite, Zustand im April 2023. Foto: Franziska Klemstein

Dass hier leider kein neuer Verhandlungsspielraum eröffnet wird, macht ein Schreiben des Bayerischen Landesinnenministers, Joachim Hermann, vom 6. April 2023 deutlich. In diesem führt er aus, dass er den gefundenen „Kompromiss […] für einen sehr gelungenen Ansatz“ halte. Auch die neueren Forschungserkenntnisse zu den Details der „Station H1“ konnten daran leider nichts ändern.

Text: Franziska Klemstein

Hinweis: Der Eintrag wurde am 23.06.2023 um den oben stehenden Text ergänzt.

Hupfla, Nordseite, Zustand 2017. Foto: Karin Raab

Geschichte der „Hupfla“

Die Geschichte der ersten überregionalen Klinik (damals „Kreisirrenanstalt“) für Geisteskranke in Bayern beginnt 1834–39 mit Vorplanungen. Die Einweihung erfolgte 1846, gebaut als sogenannte panoptische (aus dem griechischen: pan = all-, optisch = sehen) kreuzförmige Anlage, eine für britische Gefängnisse entwickelte Idee, die eine zentrale Überwachung der „Insassen“ ermöglichte, so dass Kosten gespart wurden. Die rasch steigenden Patientenzahlen erforderten schnell zahlreiche An- und Neubauten, so dass das architektonische Konzept bereits bei der Eröffnung durchbrochen war. Maßgeblich beteiligt an der Konzeption der zweiten Bauphase – zu der die heutige „Hupfla“ gehört – war Prof. Friedrich Wilhelm Hagen, der damalige Anstaltsleiter, der als Erneuerer der klinischen Psychiatrie in Deutschland gilt. Er war außerdem – neben dem Leibarzt Bernhard von Gudden – einer der Gutachter von König Ludwig II. von Bayern. Hagen wendete sich vom panoptischen System ab, die Erweiterungen erfolgten im moderneren Pavillonsystem.

Die Kreisirrenanstalt wurde um 1910 in Heil- und Pflegeanstalt Erlangen umbenannt. Mit Heilen und Pflegen hatte diese Anstalt dann in der Zeit des Nationalsozialismus wenig zu tun: In der Anstalt wurden Hunderte von Patienten zwangssterilisiert, etwa 2500 der „Euthanasie“ zum Opfer (Nürnberger Nachrichten vom 28.03.2019) bzw. wurden auf sogenannten „Hungerstationen“ getötet. Auch als authentischer Tatort der Erlanger Medizingeschichte ist das Gebäude bedeutend. Bis 1977 fungierte die Anlage als Bezirkskrankenhaus, wurde dann Teil des Universitätsklinikums.

Kompletterhalt oder Teilabbruch

Von der Gesamtanlage ist seit den ersten Abbrüchen in den 1970er Jahren nur noch das südlich gelegene Eingangsgebäude und das nördlich gelegene Pavillongebäude überliefert, ein zwei- bzw. dreigeschossiger Sandsteinquaderbau mit Walm- und Satteldächern, Mittel- und Seitenrisaliten sowie zwei Eckpavillons. Dieser Bau ist nun zum Teilabbruch vorgesehen. Den 2019 geschlossenen Kompromiss einer „Halbierung“ tragen das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Untere Denkmalschutzbehörde, das Baureferat der Stadt Erlangen, das Euthanasieaktionsbündnis „Gedenken gestalten – Hupfla erhalten“ und die Heimatpflege jedoch nicht mit und stellen die vollständige Erhaltung und Einbeziehung in die Neubaupläne an oberste Stelle.

Hupfla, Panorama der Südseite, Zustand 2017. Foto: Karin Raab

Alternativplanungen, die den Kompletterhalt ermöglichen, wurden dem Baukunstbeirat der Stadt Erlangen nicht vorgelegt. Folge des Teilabbruchs wäre ein asymmetrischer Gebäuderest, dessen Wirkung und Wirksamkeit – auch als Erinnerungsstätte für die Euthanasie-Opfer – fraglich erscheint. Zudem präjudiziert der Teilabbruch weiterhin einen späteren Totalverlust.

Texte: Konrad Rottmann (Stadtheimatpfleger Erlangen) und Denkmalnetz Bayern
Redaktion: Martin Bredenbeck

(Eintrag vom 11.05.2020)

Oben: Hupfla, Südseite, Zustand 2017. Foto: Karin Raab