Kath. Kirche St. Elisabeth in Wetzlar
Kath. Kirche St. Elisabeth
Kalsmuntstraße 62
35578 Wetzlar
Erbaut: 1965 (Grundsteinlegung)
Geschütztes Baudenkmal: nein
Status: gerettet
Ende 2020 sah es nicht gut aus für die Kirche St. Elisabeth in Wetzlar. Die katholische Gemeinde nutzte den außergewöhnlichen Bau der 1960er Jahre schon länger nicht mehr, ein Abriss im Zusammenhang mit der Neuanlage eines Wohngebietes wurde ernsthaft erwogen. Dies wurde zum Anlass für eine Eintragung in die Rote Liste. Rettung kam von den koptischen Christen in Deutschland, die die Kirche Anfang 2021 kauften. In ihren Händen bleibt der bemerkenswerte Rundbau mit den ausdrucksstarken Gestaltungsdetails erhalten. Nicht nur in kunsthistorischer Sicht ein Gewinn!
Unterstützer: invisibilis, die virtuelle Kirchenkarte des Online-Magazins moderneREGIONAL
Die Kirche steht auf der südöstlichen Hälfte eines Grundstücks, das von der Phönix- und der Kalsmuntstraße umfangen wird. Südwestlich der Altstadt, südlich der Lahn und der dort verlaufenden Erschließungsstraße, wird der skulptural freistehende Bau vorwiegend von locker gefügten Wohnhäusern umgeben. Das Schiff entwickelt sich auf einem kreisrunden Grundriss, dem sich im Nordosten die Sakristei auf einem weiteren Kreissegment anschließt. Im Südwesten wird die Kirchen von einem Campanile auf kreisrunder Grundfläche begleitet. Das Hauptportal ist dem Schiff im Westen auf einem quadratischen Grundriss vorgelagert.
Geprägt wird der Baukörper durch kreisrunde und sechseckige Formen sowie durch die Materialien Naturstein, Sichtbeton und Kupfer. Das hochgeschlossene Kirchenschiff erhält sein Licht über ein Fensterband: Die Mauern, die nach außen gelb- bis rotgetönten Naturstein tragen, werden unterhalb des Flachdachs von einem Betonband umfangen. Es verbindet eine regelmäßige Reihe langgestreckter sechseckiger Fensteröffnungen. Leicht nach Osten aus dem Zentrum gerückt, ist dem Baukörper eine kupfergedeckte Kuppel aufgesetzt. Hier bilden gaubenartige, ebenso sechseckige Fensteröffnungen eine (wieder nach Osten aus dem Zentrum gerückte) Laterne aus. Die Türen und Fallrohre der Kirche zeigen (nach außen) ebenfalls Kupfer. Demgegenüber sind der (vergleichen mit dem Schiff) niedrigere Sakristei-Anbau und der zylindrisch aufragende Campanile (ursprünglich) in Sichtbeton gehalten. Im begrünten Umfeld der Kirche sind zudem die geometrisch ausgeformten Betonpflaster- und Betonformsteinen hervorzuheben.
Der Stadtbezirk Silhöfer Aue / Westend wird von einer Kaserne geprägt, die seit dem Abzug der Bundeswehr in den 1990er Jahren neuen Nutzungen zugeführt wird. Der Grundstein zur „Militärkirche“ St. Elisabeth wird 1965 gelegt, im Abschlussjahr des Zweiten Vatikanischen Konzils. In seinem zentralisierenden Grundriss spiegelt der römisch-katholische Kirchenbau einen Kerngedanken dieser Reformjahre: die Versammlung der Gemeinschaft um den Altar. Seit 2016 gehört St. Elisabeth zur Pfarrei „Unsere Liebe Frau Wetzlar“. Im selben Jahr verstirbt Pfarrer Dr. Albrecht Bender, der zur Bauzeit maßgeblich zum Raumkonzept beigetragen hatte. 2017 setzt sich der neue Pfarrgemeinderat mit der weiteren Nutzung von Kirche und Orgel auseinander. Im folgenden Jahr verschwindet der Kirchenbau aus den regulären Gottesdienstankündigungen. Die Gemeinde beantragt beim Bistum die Profanierung, um St. Elisabeth verkaufen zu können. Die 1994 erworbene Orgel hingegen will man vor Ort in St. Bonifatius weiterverwenden.
2019 berichtet die Presse, dass St. Elisabeth nach Verkauf des Grundstückes abgerissen werden soll – zugunsten neuer Wohnbauten. Mit St. Elisabeth würde Wetzlar einen Sonderbau verlieren, der ein gutes Stück lokaler Nachkriegsgeschichte spiegelt und bis heute sein städtebauliches Umfeld prägt. Darüber hinaus zeichnet sich der architektonische Entwurf durch seine hohe Qualität aus: Vom Baukörper über die abstrahierende Fenstergestaltung bis hin zu den prägenden Elementen des Umfelds herrschen klare geometrische Formen vor. Anbauten und Zusätze werden durch Sichtbeton charakterisiert, die „Schmuckformen“ durch Kupfer besonders ausgezeichnet. Als Kernbau hebt sich das hochgeschlossene natursteinsichtige Schiff deutlich von der umgebenden Wohnbebauung ab. Zwischen dem Hauptportal im Westen und der Kuppel-Laterne im Osten spannt sich die liturgische Achse auf. Diese wird – mit dem Campanile im Südwesten und der Sakristei im Nordosten – nach außen gekonnt verschoben, um den Kirchenbau harmonisch auf sein städtebauliches Umfeld zu beziehen.
Es stellt sich die Frage, warum dieser künstlerisch bedeutende, auch ortsgeschichtlich wichtige Bau nicht in geeigneter Form in die geplante Wohnbebauung einbezogen kann, beispielsweise als Vereins- und Versammlungsraum. Gegen das sang- und klanglose Verschwinden der Kirche engagiert sich u. a. das Projekt invisibilis.
Text: moderneREGIONAL
Redaktion: Martin Bredenbeck