Kloster Thalbürgel

Eintrag veröffentlicht am 23.11.2020

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Kloster Thalbürgel
Klosterstraße 23
07616 Bürgel OT Thalbürgel

Erbaut: 1133 Gründung des Benediktinerklosters
Entwurf: unbekannt
Geschütztes Baudenkmal:  ja

Status: drohende Gefährdung

Ein geplanter Neu- und Anbau an die romanische Klosterkirche in Thalbürgel wird die Wahrnehmung der Kirche und der näheren Umgebung durch seine raumgreifende Wirkung und Formensprache zukünftig grundlegend verändern. Fraglich ist, ob die mittelalterliche Bausubstanz weiterhin als das identitätsstiftende „Herzstück“ der Anlage erkennbar bleibt oder ob nicht vielmehr der moderne Neubau die Umgebung dominieren wird.

Foto: Marie Mamerow

Das im 12. Jahrhundert gegründete Benediktinerkloster Thalbürgel liegt auf einer Anhöhe zwischen den Städten Jena und Gera im thüringischen Saale-Holzland-Kreis und ist ein Ortsteil der etwa 3.000 Einwohner zählenden Stadt Bürgel. Vom ehemaligen Kloster erhalten geblieben sind bis heute die romanische Kirche Sankt Maria und Sankt Georg sowie die sogenannte Zinsscheune. Die Klosterkirche stellt ein überregional bedeutsames Zeugnis romanischer Architektur der Benediktiner dar und erfreut sich darüber hinaus aufgrund ihrer hervorragenden Akustik als Konzertsaal großer Beliebtheit.

Gegründet wurde das Kloster Thalbürgel im Jahr 1133 durch Bertha von Schwarzburg und Heinrich von Groitzsch, dem Markgrafen der Lausitz, auf ihrem Erbgut Bürgel. Bertha war vermutlich mit Paulina, der Matronin des Klosters Paulinzella verwandt, so dass von einer Errichtung der Bauten in Bürgel durch Mönche aus Paulinzella und Hirsau ausgegangen werden kann, was sich durchaus in der Anlage der dreischiffigen westlichen Vorkirche und einigen Einzelformen in Bürgel widerzuspiegeln scheint. Während das Kloster seit seiner Aufhebung in Folge der Reformation im Jahr 1526 zunehmend verfiel und die Anlage, errichtet aus Sandsteinquadern, als Steinbruch für die Neubauten der Umgebung diente, ist die Abteikirche als dreischiffige Basilika mit dem vormals im inneren befindlichen Westportal neben dem Zinsspeicher bis heute zumindest in Teilen erhalten geblieben. Der in dieser Zeit eigentlich vor allem in mitteldeutschen Zisterzienserkirchen typische Staffelchor und die westliche Vorhalle lassen sich nur noch in den erhaltenen Rudimenten erahnen, auch verloren gegangen ist der Eindruck der mächtigen Doppelturmfront im Westen der Kirche, von dem heute nur noch der Südturm mit seiner weithin sichtbaren barocken Haube erhalten ist. Im 19. Jahrhundert erhielt die Anlage, unter anderem dank Johann Wolfgang von Goethe und die Stiche von Ludwig Puttrich, eine Umwertung zum vaterländischen Denkmal, sodass in diesem Zuge die Seitenschiffe der Kirche rekonstruiert und spätere Einbauten entfernt wurden. Die Restaurierung in den Jahren 1964 bis 1972 verfolgte ein historisierendes Ziel unter teilweiser Rückführung der Einbauten des 19. und 18. Jahrhunderts (u. a. Orgel und Gestühl) und versetzte die Kirche in den heute noch überlieferten Zustand.

Foto: Marie Mamerow

Foto: Marie Mamerow

Sowohl die besondere Geschichte der Kirche und die sie heute umgebende „Ruinen-Landschaft“, die ihre Vergangenheit als Klosterkirche erlebbar werden lässt, als auch ihre besondere Akustik machen sie als Ausstellungs- und Veranstaltungsort besonders interessant. Die Gemeinde hat daher das Projekt „Mitten im Leben“ initiiert, für dessen Entwürfe das Architekturbüro Schmidhuber federführend ist. Lobenswert ist dabei der Anspruch, sowohl die baulichen Hinterlassenschaften der Vergangenheit besser vor Witterungseinflüssen zu schützen und die Kirche zukünftig den Nutzern barrierefrei zugänglich zu machen. Der geplante Bau setzt sich sowohl durch seine Formensprache als auch Materialität klar vom historischen Bestand ab, jedoch darf wohl die Frage gestellt werden, ob dessen sehr selbstbewusste und skulptural wirkende Architektur nicht in Konkurrenz zu dem sich heute eher bescheiden darstellenden Kirchenbau und seine ländlich geprägte Umgebung tritt. Wird dieser Neubau nicht viel mehr selbst zum „Event“ und kann sich der zurückhaltende und vor allem durch seine Materialqualitäten und Proportionen wirkende Bau des 12. Jahrhunderts hier behaupten und das landschaftlich wirkende Ensemble wirklich noch dominieren, wie es die Grundsätze des denkmalpflegerischen Handelns erfordern? So hält bereits die Charta von Venedig im Jahr 1964 fest: „Artikel 13. Hinzufügungen können nur geduldet werden, soweit sie alle interessanten Teile des Denkmals, seinen überlieferten Rahmen, die Ausgewogenheit seiner Komposition und sein Verhältnis zur Umgebung respektieren.“

Eine bescheidenere und zurückhaltendere Architektur, die die gewünschten Funktionen ebenso gut erfüllen kann, würde wahrscheinlich sowohl der Architektur der Klosterkirche als auch dem Ortsbild der Gemeinde Thalbürgel eher entsprechen und sich in die vorhandenen Proportionen und Gestaltqualitäten einfügen.

Text: Marie Mamerow
Redaktion: Martin Bredenbeck

Oben: Foto: Marie Mamerow