Städtische Bühnen Frankfurt

Eintrag veröffentlicht am 13.11.2020

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Städtische Bühnen Frankfurt
Willy-Brandt-Platz
60311 Frankfurt am Main

Erbaut: 1899–1902 (Kernbau); 1959–1963 (Umbau und Erweiterung)
Entwurf: Heinrich Seeling (ab 1899); Otto Apel / ABB Architekten (ab 1959)
Geschütztes Baudenkmal:  ja, partiell (Foyer)

Status: akute Gefährdung

Seit den Um- und Erweiterungsbauten des  Schauspielhauses (1899–1902) zur Doppelanlage mit Opern- und Theaterbühne (1959–63) steht das Gebäude der Städtischen Bühnen Frankfurt mit seiner so zurückhaltenden wie eleganten Foyerfassade wie kein zweites der Kommune für den kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Aufbruch der Nachkriegszeit. Obwohl in Teilen als Baudenkmal anerkannt, plant die Stadt zurzeit den Abbruch des Gebäudes, um Platz für einen Theaterneubau zu schaffen.

Unterstützer: Initiative Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt

Treppen mit Jugendstil-Geländer von etwa 1900. Foto: Andreas Schumann

Historischer Kern der Frankfurter Theaterdoppelanlage ist das 1899 bis 1902 durch Heinrich Seeling erbaute Schauspielhaus. Für diesen kommunalen Repräsentationsbau wählte man einen besonders prominenten Ort: jene Stelle, an der die Achse zwischen Römerberg und Hauptbahnhof den Grünzug der Wallanlagen schneidet. Von dem teils in Neurenaissance-, teils in Jugendstilformen errichteten Monumentalbau sind noch große Teile, etwa des Zuschauerraums, im aktuellen Baubestand erhalten.

Während des Kriegs schwer beschädigt, wurde das Schauspielhaus ab 1949 von einer Bürogemeinschaft unter Leitung von Otto Apel wiederaufgebaut – nun allerdings als Opernhaus. Vom alten Theaterbau wurde der Zuschauerraum einschließlich der Ränge in das Operngebäude integriert. Vollständig neu errichtet wurde dagegen das Bühnenhaus mit der damals größten Drehbühne Europas. 1958 fiel die Entscheidung, neben der Oper ein neues Schauspielhaus zu errichten, wodurch das Gebäude der Städtischen Bühnen seine heutige Gestalt erhielt. Der Auftrag für den Neubau der Doppelanlage ging an das Büro von Otto Apel (seit 1961 ABB: Otto Apel, Hannsgeorg Beckert, Gilbert Becker).

Das Foyer kurz nach der Eröffnung in den 1960er Jahren. Foto: Ulfert Beckert / © Jens u. Sven Beckert

Zum Platz hin erhielt die Doppelanlage mit dem Bau des Foyers eine repräsentative, einladende Schaufront. Sie präsentiert sich in einer nüchternen, unaufdringlichen Eleganz, geprägt durch eine stringente Gliederung, zu der die „Wolken“-Plastik des ungarischen Künstlers Zoltán Kemény einen Kontrapunkt setzt. Harry Buckwitz, damals Generalintendant, würdigte das Foyer „seines“ neuen Gebäudes als „königliche(n) Boulevard, der das Opernhaus mit dem Schauspielhaus zusammenfügt“ sowie als „glückliche Synthese zwischen gesellschaftlicher Repräsentanz und musischer Einstimmung“. Eine wesentliche Qualität des Foyers liegt in seiner offenen, transparenten, zwischen Innen- und Außenraum vermittelnden Gestaltung, dank der es, wie das Gutachten der hessischen Denkmalpflege hervorhebt, „als bidirektionales Schaufenster sowohl nach außen als auch nach innen“ wirkt.

Seit der Eröffnung 1963 wurde der Gebäudekomplex einige Male umgebaut. Insbesondere nach dem Opernbrand 1987 wurden das Opern- und mehr noch das Schauspielhaus umfassend erneuert. Glücklicherweise blieb das repräsentative Herzstück des Gebäudekomplexes, das Foyer, in seiner ursprünglichen Struktur und Wirkung weitgehend erhalten. Ebenfalls blieben substanzielle Teile des alten Schauspielhauses von 1899 ff. sowie der Operndrehbühne von 1949 ff. in dem Gebäudekomplex bewahrt.

Der Zuschauerraum der Oper, der im Kern mit den geschwungenen Rängen noch von etwa 1900 stammt. Foto: Epizentrum, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Nun aber droht diesem historisch vielschichtigen Bauwerk der Abriss. Aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen beschloss die Stadt Frankfurt im Januar 2020 das Gebäude nicht zu sanieren, sondern durch einen Neubau zu ersetzen. Dabei ignorierte man den 2017 durch das Landesdenkmalamt bestätigten Denkmalwert von Teilen des Gebäudes. Gegen die Abrisspläne bezog im März 2020 eine Petition Stellung, die inzwischen rund 6.000 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden hat. Das Landesdenkmalamt veröffentlichte daraufhin ein Gutachten, das die Denkmalbewertung von 2017 ausführlich begründet und insbesondere dem Foyer mit den „Wolken“ bescheinigt, „die gesetzlichen Voraussetzungen eines Kulturdenkmals aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen“ zu erfüllen. Allerdings ignoriert die Stadt weiterhin den sich daraus ergebenden Denkmalschutz (§11 HDSchG) und forciert seit Juni 2020 die Abrisspläne, indem sie verschiedene Neubauvarianten öffentlichkeitswirksam vorstellt. Damit wird das Denkmalgutachten zu einer unverbindlichen Empfehlung herabgestuft und der Denkmalschutz auf den Erhalt bildhafter „ideeller Denkmalwerte“ reduziert.

So droht der Verlust eines bedeutenden und vielschichtigen Zeugnisses der Theater- und der Stadtgeschichte, das seit dem Umbau 1963 wie kein zweites kommunales Gebäude für den Aufbruch in eine neue Ära bürgerlicher Mitbestimmung, gesellschaftlicher Offenheit und künstlerischer Freiheit steht. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Stadt Frankfurt, die mit Recht ihre Bedeutung als herausragendes Zentrum moderner Architektur seit den 1920er Jahren hochhält und dieser mit einem Welterbeantrag Ausdruck verleihen möchte, sich endlich als würdige Hüterin ihres modernen Kulturerbes – und zwar des welterbetauglichen wie auch des stadtgeschichtlich bedeutenden – erweist und mit dem wenigstens partiellen Erhalt des Bühnengebäudes ein Signal für eine nachhaltigere Baupolitik der Zukunft setzt.

Text: Sascha Köhl
Redaktion: Martin Bredenbeck

Oben: Das 1959–63 erbaute Foyer mit der „Wolken“-Plastik Keménys. Foto: Wolfgang Runkel

Offener Brief

In einem offenen Brief fordert der Verband Deutscher Kunsthistoriker gemeinsam mit führenden Organisationen der Denkmalpflege in Deutschland von der Stadt Frankfurt den Erhalt der denkmalgeschützten Teile der Theaterdoppelanlage.

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