Villa Schwinn
Villa Schwinn
Gutenbergstraße 37 (Remise) und 41 (Hauptgebäude)
66482 Zweibrücken
Erbaut: 1894
Entwurf: unbekannt
Geschütztes Baudenkmal: ja, seit 1981 (Prüfung für die Remise 2020)
Status: akute Gefährdung (Remise)
Darf’s ein bisschen weniger sein? Auch im Denkmalschutz eine vertraute Frage: Immer wieder müssen Ensembles zusammengehöriger Bauten gegen Verstümmelungen verteidigt werden. So soll die Villa Schwinn von 1894, eine der bedeutendsten Fabrikantenvillen der Pfalz, ihre Remise verlieren, wenn es nach dem Investor geht, der den Baugrund für Neubauten vermarkten will und mit diesem Teil des Denkmals nichts anfangen mag.
Unterstützer: bürgerschaftliches Engagement – Roswitha Chéret, Hanne Stauch, Georg Dhom, Dr. Gerhard Herz
Im 19. Jahrhundert bildete sich eine neue Gruppe innerhalb des Bürgertums heraus: Unternehmer und Fabrikanten trieben die Industrialisierung voran, kamen zu Geld und strebten nach gesellschaftlichem Ansehen. Mit repräsentativen Anwesen wollten sie ihrer Stellung Ausdruck geben. Dabei gruppierten sich um die eigentlichen Wohnhäuser meist Nebengebäude, die etwa zur Unterbringung von Personal oder zum Unterstellen des Wagenparks dienten. Das gestalterische Vorbild war das adelige Schloss bzw. Herrenhaus. Diese Gebäude-Ensemble wurden willkommene Inspiration für die neue bürgerliche Schicht. Der größte gestalterische Anspruch kam dabei stets dem Wohnhaus zu, während die anderen Baulichkeiten mit abgestuftem Aufwand gestaltet wurden, aber erkennbar zugehörig blieben.
Auch die Villa Schwinn in Zweibrücken vertritt diesen neuen Typus. Der aus Ixheim gebürtige Fabrikant Georg Adolph Schwinn, Mitinhaber einer Draht-, Ketten- und Stiftenfabrik – sogenannte Nagelwerke –, ließ für seine Familie 1894 einen anspruchsvollen späthistoristischen Bau errichten, der mit der Materialität (Backstein und Gliederung aus rotem Sandstein) an die regionale Baukultur anknüpft und mit der Formenwahl (Neurenaissance) auf die Blütezeit des handeltreibenden Bürgertums der italienischen Renaissance oder auch auf die reiche Patriziertradition des frühneuzeitlichen Deutschlands verwies. Ganz im Geschmack der Zeit ist das Gebäude vielansichtig komponiert – und es weist natürlich ein Nebengebäude auf, vornehm als (frz.) Remise bezeichnet.
Es liegt auf der Hand, dass solche Anwesen für die heutigen Eigentümer in puncto Erhaltung und Nutzung eine Herausforderung darstellen können. Im Dezember 2019 wurde bekannt, dass ein Investor die Villa samt Remise und Gelände kaufen möchte, um dort ein Bauvorhaben von vier Häusern (zunächst 77 Wohneinheiten, jetzt 110) zu verwirklichen. Dafür muss nach Angaben des Investors die heute als Unterrichtsraum an eine Fahrschule vermietete und somit wirtschaftlich genutzte Remise abgerissen werden. Die Besitzer, eine Erbengemeinschaft, waren hocherfreut, einen potentiellen Käufer gefunden zu haben. Auch die Stadt Zweibrücken zeigte sich erfreut. Ob eine wirtschaftliche Überprüfung des Vorhabenträgers durch die Stadt stattgefunden hat, ist unbekannt.
Derzeit kommt die Denkmalfachbehörde (Direktion Landesdenkmalpflege, Mainz) im Rahmen ihrer Beteiligung als Träger öffentlicher Belange im Planungsverfahren ihrer gesetzlichen Aufgabe nach, die denkmalfachlichen Inhalte und Schutzziele in das Verfahren einzubringen. Bei der Prüfung der Denkmaleigenschaft der Remise kann sie auf den wissenschaftlichen Standards aufbauen, nach denen auch die Nebengebäude wesentliche Bestandteile solcher Denkmäler sind.
Erfreulicherweise hat sich seit der Unterschutzstellung der Villa 1981 die Forschung zu solchen Anwesen wesentlich weiterentwickelt. 1981 – das Denkmalschutzgesetz RLP war gerade drei Jahre alt – war es durchaus noch avantgardistisch, sich diesen Bauten des 19. Jahrhunderts überhaupt positiv zu widmen. Heute besteht längst kein fachlicher Zweifel mehr daran, dass es sich um ein bedeutendes Kulturdenkmal handelt. Waren Nebengebäude Anfang der 1980er Jahre oft noch nicht im Blick der Architekturgeschichte, steht ihre Bedeutung heute nicht mehr in Frage.
Die neue Aufgabe für den Investor lautet somit, die Remise in geeigneter Weise in das Bauvorhaben einzubeziehen, sie als eine Besonderheit dieses Vorhabens anzunehmen und kreativ einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Es ist daher völlig unverständlich, dass sich ein Teil der Lokalpresse in sprachlich schon unangemessener Weise zum Erfüllungsgehilfen des Investors macht und den Denkmalschutz als Verhinderer ansieht, die Remise im Grunde schlechtredet. Wieso wird vom Investor nicht verlangt, seine Pläne anzupassen und die Remise einer Nutzung im Rahmen seines Wohnvorhabens zuzuführen, in ihr z. B. ein besonderes Wohnerlebnis zu ermöglichen? Vorbildliche Beispiele für solche Umnutzungen von Nebengebäuden gibt es reichlich. Viel wichtiger wäre, darüber zu berichten, dass es hinsichtlich der Remise neue fachliche Erkenntnisse gibt, die 1981 so noch nicht möglich gewesen waren.
Text: Roswitha Chéret
Redaktion: Martin Bredenbeck